Witten.

Brandt regiert noch, die Ostzone existiert noch und im Mikrokosmos „Familie“ spiegeln sich sämtliche Gesellschaftskonflikte der 70er Jahre wieder: Das Westfälische Landestheater brachte mit der Bühnenfassung der Serie „Ein Herz und eine Seele“ die Tetzlaffs in den Saalbau.

Von den Dialogen bis hin zur Personenkonstellation liegt dabei alles möglichst nah am Original. In zwei Akten umreißt Regisseur Gert Becker die Handlungsstränge der bekannten Folgen „Der Sittenstrolch“, in der ein vermeintlicher Exhibitionist sein Unwesen in der Nachbarschaft treibt, und „Der Silvesterpunsch“. Dabei bedient er sich ausschließlich verschiedener Anleihen aus den Originaldrehbüchern der WDR-Kultserie.

Zwischen Küche und Wohnzimmer treffen wie gewohnt die Generationskonflikte zwischen dem rechtskonservativen Familienoberhaupt „Ekel Alfred“ (Jürgen Mikol) und seiner aufgeschlossenen Tochter Rita (Verena Held), sowie dessen Ehemann Michael (Bülent Özdil) aufeinander. In den hitzigen Diskussionen über Politik, Gesellschaft, die Nachbarn und das ganz alltägliche Miteinander glänzt Vesna Buljevic als Hausfrau Else mit einfältiger Naivität und amüsierender Unkenntnis, wofür sie von Ehemann Alfred grundsätzlich als „dusselige Kuh“ bezeichnet wird. Wie einst in der Serie, verwechselt sie beispielsweise den ehemaligen Bundeskanzler Kiesinger mit dem US-Außenminister Kissinger und wundert sich darüber, „dass die Deutschen einen dranlassen, der Jude ist..?“.

Für den chauvinistischen Alfred trägt sie aufgrund ihrer Unwissenheit Schuld an allem, was im Familienheim schiefgeht - für alles Schlechte außerhalb der Wohnungstür jedoch macht Alfred rigoros die Politik der „Sozis“ und die Lebenseinstellung ihrer Wähler verantwortlich. Diese Rolle des wetternden Ruhrgebietlers scheint Jürgen Mikol, der als „Opa Pläte“ in der Comedy-Serie „Alles Atze“ bekannt wurde, auf den Leib geschrieben zu sein. Zur Belustigung der Zuschauer schimpft, flucht und lamentiert er wie ehemals Heinz Schubert über die Situation der Nation und des Privatlebens. „Das ist das beschissenste Jahr seit ‘49“, resümiert Alfred am Silvesterabend und fügt auf Nachfrage hinzu: „Da habe ich geheiratet.“

Neben den stammtischhaften Streitereien über die SPD-Regierung sorgt optisch auch das Bühnenbild für eine Zeitreise in die 70er Jahre: Vom Wasserboiler in der Küche über die Dekotapete und den Plattenspieler im Wohnzimmer bis hin zur Schlaghose von Schwiegersohn Michael bemüht sich die Inszenierung um größtmögliche Authentizität und schafft somit für viele Zuschauer eine Rückerinnerung an eine Zeit vor knapp 40 Jahren.

Wegen mangelnder, aktueller Themenbezüge ist die Inszenierung mit ihren Anspielungen auf die Ära Adenauer und seiner Amtsnachfolger für ein jüngeres Publikum hingegen nur schwerer zugänglich. Die ehemals brisante Gesellschaftssatire der Serie kann in der heutigen Bühnenfassung nur noch Nostalgie hervorrufen. Für Freunde der Kultserie bot sie damit eine kurzweilige Hommage an die beliebte Sendung.