Witten. . Anna-Lena Irrgang sagte ihrer Zuckerkrankheit den Kampf an. Ein kleines Gerät erleichtert ihr nun das Leben.

Sie hatte „keinen Bock mehr“ auf dieses Leben, in dem die Zuckerkrankheit immer an erster Stelle stand. Hatte die Nase voll vom ständigen Stechen und Messen und der Angst, trotzdem die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren. Und Anna-Lena (17) hat es geschafft: Heute geht es ihr viel besser – dank ihres eigenen Engagements und ärztlicher Hilfe.

Auch vor einem Jahr sah alles noch ganz gut aus. Da hatte unsere Zeitung schon einmal über Anna-Lena Irrgang berichtet, die nicht nur an Diabetes, sondern auch an Zöliakie leidet. Wegen dieser Darmkrankheit, einer Weizenunverträglichkeit, benötigt sie spezielle glutenfreie Lebensmittel. Die Kosten von monatlich rund 150 Euro konnte ihre Mutter Marlies, die Geringverdienerin und mit drei Kindern alleinerziehend ist, nicht aufbringen.

Ihre Krankenkasse, die IKK Nordrhein, konnte nicht helfen, weil es sich nicht um Heil-, sondern Nahrungsmittel handelt. Aufgrund des Zeitungsartikels meldete sich dann aber die Wittener Olmstedt Stiftung. Sie unterstützt Anna-Lena nun mit 130 Euro monatlich, bis sie im nächsten Januar 18 wird.

Die Freude war groß bei den Irrgangs – wurde jedoch bald getrübt. Anna-Lena war dreimal so stark unterzuckert, dass sie ins Krankenhaus musste. Ungern erinnert sie sich an die Vorfälle. „Das ist ein heftiges Erlebnis. Das sieht aus wie ein epileptischer Anfall.“ Und das Schlimmste: „Ich kriegte alles mit, konnte alles hören, aber selbst nicht sprechen.“ Ihr Arzt in Herdecke schob die Schuld auf das Mädchen. „Der hat gesagt, es war mein Fehler. Dabei war es einfach eine Körperreaktion.“

Anna-Lena bekam Angst. Dass sie nicht mehr rechtzeitig reagieren könnte. Dass gerade keiner in der Nähe ist, der ihr helfen kann. In der Tat gehe das alles so schnell, dass der Griff zum Traubenzucker nicht rechtzeitig möglich sei, bestätigt Diabetes-Assistentin Regina Rüssmann.

Die Angst wurde so übermächtig, dass Anna-Lena nicht mehr zur Schule gehen konnte. Sie wurde krankgeschrieben, blieb zu Hause, machte nichts mehr alleine. Monatelang ging das so. Dann erwachte ihr Kampfgeist. „Ich wollte mich nicht damit abfinden.“

Anna-Lena setzte sich an den Computer und forschte im Internet. Dabei stieß sie auf ein kleines Gerät, den so genannten Freestyle-Navigator, der am Körper getragen wird und kontinuierlich den Zucker misst. Und der Alarm schlägt, eine halbe Stunde bevor die Werte ganz im Keller sind. Ideal für Anna-Lena, aber leider zu teuer: Das Gerät kostet rund 2000 Euro. Die Sensoren, die alle drei Monate ausgetauscht werden müssen, schlagen mit 365 Euro zu Buche. Für Teststreifen fallen alle fünf Tage 60 Euro an.

Doch seit drei Monaten lebt Anna-Lena mit diesem Gerät – laut Regina Rüssmann als Einzige in Witten. Das Mädchen fragte selbst bei der Krankenkasse nach, wechselte den Arzt und erreichte Schritt für Schritt ihr Ziel. Etliche Atteste und Gutachten waren nötig, bevor Allgemeinmediziner und Diabetologe Dr. Kurt-Martin Schmelzer die Kasse von der Notwendigkeit des Navigators überzeugen konnte. Für Anna-Lena jedenfalls bedeutet das Gerät „ein Stück normales Leben“. Sie wechselte zur Waldorfschule in Langendreer, macht Sport – und das alles ohne Angst.