Witten. .

Kornelia Heilmaier (48) aus Bommern war leitende OP-Schwester, bis der Rücken und die Hüftgelenke nicht mehr mitmachten. In der Agentur für Arbeit wurde ihr der Vorschlag gemacht, als Schuhverkäuferin zu arbeiten, berichtet sie. Bücken brauche sie sich dazu nicht; sie bekomme von der Agentur eine Leiter gestellt, auf die ihre Kunden zur Schuhanprobe hochsteigen könnten.

Kornelia Heilmaier ist eine robuste, handfeste Frau, der man ansieht, dass sie eine gute Krankenschwester gewesen sein muss. In Bochum geboren, später nach Witten gezogen, im Augusta-Krankenhaus gelernt und dort bis 1984 gearbeitet. Dann hat sie sich einen Traum verwirklicht: Italien lockte. Bis Ende 1998 arbeitete sie in Sizilien, war dort auch im Katastrophenschutz und Rettungsdienst aktiv, in einem Krankenhaus der Stadt Catania wurde sie leitende OP-Schwester. In Sizilien hat sie sich sogar mit der Mafia angelegt.

In Deutschland aber hat sie Gegner ganz anderen Kalibers. Die heißen Deutsche Rentenversicherung Bund, Agentur für Arbeit, Job-Center, Medizinischer Dienst. Denn kurz nach ihrer Rückkehr stellten sich Gesundheitsprobleme ein. Die Lendenwirbelsäule machte Schwierigkeiten, es gab Bandscheibenvorfälle, inzwischen mussten ihr zwei künstliche Hüftgelenke eingesetzt werden. Die Berufsgenossenschaft erkannte ihr Leiden 2007 als berufsbedingt an.

Immer wieder hat sie einen Anlauf genommen, in Arbeit zu kommen. Sie erzählt von Ärzten und Einrichtungen, die sich über die billige Praktikantin freuten. Von der Weiterbildung für Büroorganisation/EDV, wo sie statt am Computer zu sitzen Verbände wechselte und Bügelberge wegschaffte. Luftsicherheitsassistentin war sie am Dortmunder Flughafen, doch das lange Stehen ging nicht lange gut. Als medizinische Codierfachkraft tippte sie Patientendaten ein, bis der Rücken ihr den Arbeitsalltag zur Hölle machte.

Nach einem doppelten Leistenbruch 2008 bekam sie eine Reha, die sie Anfang 2009 antrat. Gerade wieder daheim, erhielt Kornelia Heilmaier eine Aufforderung, sich bei einem Arzt der Agentur für Arbeit in Hagen vorzustellen. „Die Untersuchung ging recht flott vonstatten“, erzählt sie. Der Arzt habe ihr unter anderem erklärt, sie könne auch als Schuhverkäuferin arbeiten. Nach ihrem Hinweis auf Rücken und Hüftgelenke habe er gesagt: „Kein Problem, Sie kriegen gratis vom Arbeitsamt eine Leiter. Dann müssen Sie sagen, dass die Kunden auf die Leiter steigen, und Sie machen die Schuhe in Augenhöhe zu.“ Eine Aussage, die sich im anschließenden schriftlichen Untersuchungsprotokoll des Mediziners dann allerdings nicht wiederfindet.

Zwei kleine Renten aus Italien bezieht sie, dazu das Kindergeld für ihren Sohn Fabrizio (18). Bislang war noch Erspartes da, das jetzt aufgebraucht ist. Kornelia Heilmai-er hofft auf Hartz IV. Erwerbsminderungsrente wurde abgelehnt, dagegen klagt sie nun mit dem Sozialverband VdK.

Aber es gibt Momente, da denkt auch eine tapfere Krankenschwester ans Aufgeben. „Der Kampf mit den Behörden steht mir bis obenhin. Die Bü-rokratie und unsinnige teure Fortbildungen machen mich fertig. Manchmal weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.“