Witten. Vergessen Sie die Lichtershow am Eiffelturm oder die Party vorm Brandenburger Tor – Silvester in Witten bot in diesem Jahr jedem den passenden Jahresausklang: ob klassisch im Saalbau oder romantisch auf dem Helenenturm.
Doch vielleicht gehören Sie auch zu den 170 Gästen, die im Ratskeller auf gehobenem Niveau das Jahr 2010 verabschiedeten. Schon früh am Abend herrscht hier gute Stimmung, vielleicht liegt‘s an den Leckereien am Büffet – vielleicht liegt es auch an der Überraschung, die den Gästen an diesem Abend versprochen wurde. Dazu gleich mehr…
Um 19.20 Uhr beginnt das Klassik-Herz der Saalbau-Besucher höher zu schlagen. Die Gründe heißen Strauß, Mozart oder Suppé, eine Silvester-Mischung aus Dramatik und Fröhlichkeit. Dass der Saal trotzdem nicht voll ist, liegt jedenfalls nicht am jung besetzten Johann Strauß-Orchester. Die Badener Musiker streicheln die Saiten der Geigen, lassen die Flötentöne fliegen. Das erste Urteil in der Pause: „Herrlich!“ Karl Helmig muss es wissen.
Der Bochumer ist durch und durch Klassik-Fan, Silvester hat er sonst privat mit Freunden gefeiert – nun zog es ihn nach Witten in den Saalbau. „Ich habe in meinem Bekanntenkreis von der Feier erfahren.“ Nach einem stressigen Jahr, so der Pensionär, habe er das Jahr ruhig ausklingen lassen wollen. Doch jetzt erst einmal ein Silvesterhäppchen…
Draußen kämpft sich Britta Schulz durch den Schnee, sie geht zu einer Party bei Freunden. Die 42-Jährige ist bepackt mit Sektflasche und Knabbereien, unter der Jacke trägt die Wittenerin ein klassisches Outfit, auf dem Kopf einen Zylinder. „Heute gibt es eine Motto-Party“, klärt die Wittenerin auf. „Das ist der 20er-Jahre-Look. So sind wir auf der Feier alle angezogen.“ Doch nun erst einmal weiter von den 1920ern in die 80er, rein in die Werkstadt zu Witten.
Hier öffnen sich die Pforten um 21 Uhr, schon lange vorher füllt sich die Schlange im Eingangsbereich. Die ersten Flaschen werden bereits geköpft, einige feiern schon auf der Tanzfläche zu Tom Jones und Co oder genehmigen sich ein Schinken-Melone-Häppchen. Anita Althaus ist mit Partner Thomas Rosenbaum da. „Wir wollen einfach Spaß haben“, sagt Althaus. Ein Termin sei 2011 schon fest eingeplant: Die Hochzeit mit Partner Thomas. „Ich habe 2010 den Mann fürs Leben gefunden.“
Nun ist es knapp 22 Uhr, im Ratskeller dürfen sich die Gäste auf ihre Überraschung freuen: Bühne frei für die Travestieshow! Im ersten Teil schlängelt sich ein Vier-Meter-Python zwischen den Travestiekünstlern, ab 23 Uhr gibt es eine Feuershow zu bestaunen. Weniger dramatisch, aber nicht minder schön ist der Silvester-Countdown vor dem Helenenturm. Hier hat sich kurz nach 23 Uhr ein beschaulicher Kreis von 25 Leuten zusammengefunden. Ihr Motto: Silvester einmal anders.
Magdalena Tschöpe ist die Vorfreude trotz bibbernder Kälte ins Gesicht geschrieben. Die Rentnerin hatte ihr Silvester vom Helenenturm von der Schwiegertochter geschenkt bekommen. „Ich war vor 20 Jahren das letzte Mal dort oben“, sagt die Wittenerin und zeigt auf die Turmspitze. „Gleich geht es wieder rauf.“ Gegen 23.15 Uhr kommt Kurt Priebel am Turm an.
Seit acht Jahren begleitet er mit Ehefrau Hildegard Gäste auf den Helenenturm, um ihnen einen Jahreswechsel der besonderen Art zu bescheren. Nach einigen Gläschen Sekt im Turm geht es kurz vor Zwölf endlich nach ganz oben.
„Hier sind wir fast über den Wolken“, schwärmt Kurt Priebel. Andere schwärmen mit: Neil Chwastek steht Arm in Arm mit Freundin Olga Bodrog über den Dächern Wittens. Wieder andere schwelgen in Erinnerungen wie Anne Stoewer. Die Herdeckerin lebte lange in Witten. „Dort unten“, ruft die 74-Jährige und zeigt auf ein Haus in der Röhrchenstraße, „dort habe ich als Kind gelebt.“
Im Hintergrund gehen gerade die bunten Raketen über der Stadt hoch, 2011 hat nun auch Witten erreicht. „Wie romantisch!“, schwärmt Anne Stoewer. Wer braucht da schon den Pariser Eiffelturm?