Witten. Heute hat Dr. Niklas Quecke seine Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -pschyotherapie an der Breddestr. 1 eröffnet. Im Interview erzählt er von ADHS, Essstörungen, Depressionen und wie Eltern ihren Kindern helfen können.

Mit welchen Problemen haben Kinder und Jugendliche heutzutage zu kämpfen?

Wir stellen eine Zunahme von psychiatrischen Verhaltensauffälligkeiten fest.

Was sind das für Auffälligkeiten?

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist ein Beispiel, aber auch Verhaltensweisen, die das soziale Feld betreffen: Soziale Kompetenzen, von Tischmanieren bis zur Klärung von Differenzen mit Worten, nehmen bei vielen Jugendlichen ab. Parallel ist zu beobachten, dass die Erziehungsfähigkeit vieler Eltern abnimmt. Natürlich gilt das nicht für alle.

Gibt es weitere Probleme?

Wir bemerken auch eine Zunahme des Alkoholkonsums – Stichwort Komasaufen – und des Drogenkonsums. Angestiegen ist auch der Medienkonsum. Viele Kinder haben schon einen Fernseher und einen PC im Zimmer, sitzen vor der Schule vor dem Fernseher und später Stunden vor ihrer Spielekonsole.

Haben Ihrer Erfahrung nach auch Essstörungen zugenommen?

Ja, auch, und auch Depressionen – sogar schon bei Kindern. Depressionen sind bei kleinen Kindern außerordentlich schwer zu diagnostizieren. Diese Kinder haben weniger Mimik als andere, neigen zu Aggressivität. Letzteres ist auch bei ADHS oft ein Problem. Wenn Kinder, die nicht stillsitzen können, zum wiederholten Male ihren Nachbarn in der Schule bei einer Aufgabe ärgern, ist der sauer. ADHS-Kinder reagieren dann mitunter aggressiv.

Gerade bei ADHS werden Medikamente für die betroffenen Kinder heftig diskutiert. Zurecht?

Es gibt natürlich auch andere Therapien, z.B. Ergotherapie, Konzentrationstraining und Elternschulung. Aber wenn diese Therapien nicht greifen und Kinder und auch ihre Familien unter dieser Störung leiden, sollte man Medikamente in Betracht ziehen.

Was können Eltern tun, deren Kinder Verhaltensauffälligkeiten zeigen?

Ganz wichtig: Wenn klar ist, dass ein Kind ADHS hat, sollten die Eltern ihm sein Verhalten nicht mehr übel nehmen. Das ist auch ein wichtiger Punkt in der Therapie. Trotzdem sollten sie ihren Kindern immer sagen, wo es langgeht. Es ist wichtig, Kindern mit Grenzen zu erziehen – wohlwollend, aber klar. Wenn Kinder ohne Grenzen aufwachsen, werden sie immer so agieren, dass sie irgendwann an Grenzen stoßen. Das kann in der Schule der Verweis sein, später sind es dann Gesetze.

Wie hoch ist die Hemmschwelle, sich Hilfe bei einem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zu suchen?

Es wird Gott sei Dank weniger. Aber sogar meine Tochter merkte an, ob der Standort meiner Praxis der richtige sei, hier könne man ja die Leute rein- und ausgehen sehen. Für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten ist es wichtig, dass die Eltern früh reagieren. Das große Problem in diesem Bereich aber sind die Wartezeiten: Selbst in der neuen Praxis sind sie schon bei zwei Wochen. Der Bedarf ist enorm.