Witten. .

Der Zahn ist schon lange weg, und nach und nach bildet sich auch der Kieferknochen zurück, das Zahnfleisch sowieso: In die Kiefer solcher Patienten Implantate einzusetzen, ist von höchster Schwierigkeit, denn nirgends haben sie Halt.

Die Anwendung eines so genannten Expanders kann helfen, das Kunststück zu vollbringen.

Wird das Zahnfleisch mittels des Expanders vorgedehnt, so sorgt das für weniger Komplikationen bei der Zahnimplantation: Das konnte Professor Dr. Anton Friedmann, Leiter der Abteilung Parodontologie an der Fakultät für Gesundheit, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, in einer Studie nachweisen. „Das war bisher nur in Tierversuchen ausprobiert worden, und mein Kollege Kaner und ich konnten jetzt die erste Studie an Menschen durchführen. Es ist eine kleine Studie, in der es im Wesentlichen darum ging, die Machbarkeit zu prüfen“, erklärt er die Bedeutung.

Bei zwölf Patienten wurde das Zahnfleisch vorgedehnt und nach einem darauf folgenden Knochenaufbau ein Implantat eingesetzt. Alle Implantate heilten problemlos ein, auch wenn bei zwei Patienten in der Phase der Zahnfleischdehnung leichte Komplikationen auftraten.

Fakt ist: Nach einem Zahnverlust entwickeln sich Kieferknochen und Zahnfleisch zurück. Wenn erst nach Jahren der Zahnlosigkeit Implantate eingesetzt werden, muss oft erst der Kieferknochen wieder aufgebaut werden.

„Man kann sich leicht vorstellen, dass das Zahnfleisch dabei ziemlich beansprucht wird. Es muss am Ende des Eingriffs quasi um einen größer gewordenen Knochen passen, ohne selber größer geworden zu sein. Darum haben wir uns das Vorbild der plastischen Chirurgie genommen. Dort wird ja auch die Haut mit einem so genannten Expander vorgedehnt, wenn zum Beispiel bei Frauen nach einer Brustkrebsoperation die Brust wieder aufgebaut wird“ schildert Friedmann seine Idee. Ein Anbieter hat unter der Leitung der Wissenschaftler seine kleinen Kapseln weiterentwickelt. Jetzt werden sie unter das Zahnfleisch eingeschoben und dehnen sich durch Feuchtigkeit dort auf ein vorgegebenes Maß aus.

„Es entsteht ein Hohlraum, den der später durchzuführende Knochenaufbau ausfüllen kann, ohne das Zahnfleisch zu beanspruchen. Diese Vorbehandlung dauert sechs bis acht Wochen, aber das Ergebnis zeigt ganz eindeutig: Die Patienten profitieren davon“, bewertet Friedmann seine Studie. Etwa drei Operationen seien allerdings schon notwendig, benennt er den Aufwand.

Das neue, besonders für kritische Stellen gedachte Verfahren dürfen Zahnärzte nur nach einer Schulung zur Handhabung der Expander bei ihren Patienten anwenden. „Das Ist ein Projekt an der Schnittstelle mit der Gesichtschirurgie. Wir haben schon Anfragen, bieten jetzt Termine an“, so Friedmann, der seit drei Monaten an der Uni Witten/Herdecke lehrt. Vor seiner Berufung war er an der Charité in Berlin tätig. In Witten möchte er sich außerdem der Weiterentwicklung der Früherkennung von Parodontose widmen und die Langzeitdiagnostik beleuchten.

Neben der Universität Witten/Herdecke bieten zahlreiche Zahnärztekammern die Expander-Schulungen an. In der Zahnklinik der Universität wird dieses Verfahren den Patienten angeboten.