Kinder von Hartz IV-Empfängern müssen ab Januar besser gefördert werden. Die Job-Agentur EN sieht deshalb ein hohes Maß an Bürokratie auf ihre Mitarbeiter zukommen.

Fast 10 000 Mädchen und Jungen im Ennepe-Ruhr-Kreis haben einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung zum Beispiel bei Schulausflügen, Klassenfahrten, Fahrten zur Schule, Mittagsessen oder Mitgliedschaften in Vereinen, erklärte Agenturleiter Heiner Dürwald auf einer gemeinsamen Sitzung des Kreisausschusses für Soziales und Gesundheit und des Ausschusses für Arbeitsmarktpolitik im Schwelmer Kreishaus. Aus Berlin würden für die Kinder von Eltern, die auf Hartz IV im Kreis angewiesen sind, eine Summe von unter zwei Millionen Euro erwartet. Hinzu kämen 270 000 Euro an Verwaltungskosten. „Ein deutliches Missverhältnis“, wie Dürwald es ausdrückt.

Aber nicht nur bei der Job-Agentur werde Bürokratie aufgebaut. Auch zum Beispiel bei den heimischen Sportvereinen, die sich um Kinder bedürftiger Eltern kümmern möchten. Sie bekämen nach den Planungen die Mitgliedsbeiträge von der Job-Agentur bezahlt. Allerdings, so erklärte Dürwald, könne ein Jahresbeitrag nicht auf einmal ausgezahlt werden: „Wir haben nur zehn Euro pro Kind und Monat für diesen Zweck zur Verfügung und müssen deshalb stückeln.“ Dadurch wird auch auf die Kassierer der Vereine eine Menge Arbeit zukommen. Daneben sei unklar, ob Vereine überhaupt in der Lage seien, so genannte Leistungsverträge mit der Job-Agentur abzuschließen, die Voraussetzung für eine direkte Zahlung in die Klubkasse sind.

Und das ist nur ein Beispiel dafür, mit welchem Aufwand die Berliner Entscheidungen im Ennepe-Ruhr-Kreis in die Tat umgesetzt werden müssen. Zusätzliche Belastungen kommen auch auf die Schulen bei Klassenfahrten und für Lerninstituten bei der Abrechnung von Nachhilfeunterricht zu. Bei einer direkten Bezahlung entsprechender Rechnungen würden bei der Job-Agentur fünf Verwaltungsschritte anfallen, bei der Ausstellung eines Gutscheins für ein Kind sogar sechs Schritte.

An diesem Freitag muss sich der Bundesrat mit der entsprechenden Novelle zu Hartz IV beschäftigen. Union und FDP fehlt eine Stimme, die SPD verlangt Nachbesserungen. Trotz der unklaren Mehrheiten: Klar sei, so Dürwald, dass die Kinder von armen Familien ab dem 1. Januar besser gefördert werden müssen. Diese Frist hätten die Bundesrichter unmissverständlich dem Gesetzgeber gesetzt.

Zuvor wurde in der Gemeinschaftssitzung der Ausschüsse bei der Vorstellung des Armutsberichtes für den Kreis deutlich, dass immer mehr Menschen und auch Kinder auf Hilfe angewiesen sind. 8,7 Prozent der Einwohner zwischen Breckerfeld und Witten sind statistisch gesehen arm. Bei den Mädchen und Jungen sei der Anteil mit 15,4 Prozent sogar noch wesentlich höher, rechnete Hans-Joachim Boschek, Leiter des Fachbereichs Soziales und Gesundheit, den Politikern vor – und das in einem Gebiet, in dem das höchste Einkommen im Ruhrgebiet verdient werde, wie Kämmerer Jürgen Brückner es darstellte. Immerhin 18 Prozent der Haushalte können mit mehr als 4000 Euro netto pro Monat rechnen. Zwölf Prozent müssten allerdings mit weniger als 1000 Euro auskommen.

Kinder seien auch im Ennepe-Ruhr-Kreis zu einem Armutsrisiko geworden. 22 Prozent aller Familien mit drei Kindern gelten als arm. Bei Eltern, die vier oder mehr Kinder haben, liegt der Anteil bereits bei 36 Prozent. Auch 40 Prozent der Alleinerziehenden brauchen finanzielle Hilfe. 2,4 Prozent der Rentner können mit ihrer Altersversorgung nicht auskommen.