Witten. .

Immer, wenn die dreijährige Lisa in der Spieleecke sitzt, zieht sie die Papapuppe und die Kinderpuppe aus und legt beide zusammen ins Bett. Ist das schon ein Hinweis auf sexuellen Missbrauch? Oder ist dieses Spiel völlig harmlos?

Menschen, die einen schlimmen Verdacht hegen, und natürlich den Opfern tatsächlicher sexueller Übergriffe, hilft die Pro-Familia-Beratungsstelle Horizonte.

Diese Fälle gingen durch alle Zeitungen und TV-Sender: In der Odenwaldschule in Hessen und in Jesuitenschulen sollen Kinder von Anfang der siebziger bis in die achtziger Jahre missbraucht worden sein. Fälle, die aufschrecken und die Menschen sensibilisieren. Das haben auch die Mitarbeiter von Pro Familia in Witten registriert. „Die Menschen kommen zu uns mit einem komischen Gefühl, weil sie etwas beobachtet haben“, sagt die Diplom-Sozialarbeiterin Martina Niemann. Das können Erzieher sein, aber auch Nachbarn, Großeltern oder Freunde. Allen ist gemein: Sie haben Angst, zu spät zu reagieren.

Ganz wichtig sei es dann, diesen Menschen zu signalisieren, Ruhe zu bewahren und ihre Beobachtungen zu dokumentieren, so Niemann weiter. Bleibe der Verdacht, würden weitere Schritte veranlasst, wie ein Besuch bei dem betroffenen Kind in der Kita, Gespräche mit den Eltern und eventuell dann auch die Benachrichtigung des Jugendamts.

Ganz wichtig: Sexueller Missbrauch gebe es in vielen Ausprägungen und werde von den verschiedenen Kindern und Jugendlichen unterschiedlich wahrgenommen. So reagiere das eine Mädchen, das im Gedrängel im Bus am Po angefasst werde, mit Ärger – das heißt, sie schnauzt den Täter an und hakt die Sache dann ab. Ein anderes Mädchen aber fühle sich danach beschmutzt und meide vielleicht in Zukunft öffentliche Verkehrsmittel, erklärt der Sexualpädagoge Markus Guhl. Kinder und Jugendliche, die einmal oder sogar über eine längere Zeit massiv sexuell ausgenutzt wurden, seien wiederum oft schwer traumatisiert und benötigten eine längere Therapie.

Um 70 bis 100 Fälle sexueller Gewalt kümmert sich die Wittener Beratungsstelle im Schnitt pro Jahr – hinzu kommen die Betroffenen (Opfer sexueller Gewalt und ihre Familien), die über eine längere Zeit betreut werden. Um sexuelle Übergriffe im Vorfeld zu verhindern oder möglichst schnell zu entdecken, setzt Pro Familia auch verstärkt auf Präventionsangebote – zum Beispiel in Schulen, bei Infoabenden für Eltern oder bei der Jugendsprechstunde mittwochs von 14 bis 16 Uhr an der Annenstr. 120. Neu im Team ist deshalb auch der Diplom-Sozialpädagoge Sven Kriegler. Damit auch Grundschulen mit weniger Geld die Chance bekommen, das Theaterstück „Mein Körper gehört mir“ inklusive Elternabend anzubieten, plant Pro Familia bald eine zentrale Veranstaltung, die von allen gemeinsam finanziert werden kann.