Witten. .
Etwa jedes dritte Kind in Witten lebt in Armut. Etwa 900 Menschen über 65 in dieser Stadt sind von Grundsicherung abhängig. Insgesamt sind über 11 000 Wittener arm. Bedrückende Zahlen nennt der Armutsbericht 2010 des EN-Kreises.
Dr. Hans-Joachim Boschek, Leiter des Gesundheitsamtes im Ennepe-Ruhr-Kreis, stellte den Bericht am Dienstagabend im Ausschuss für Soziales, Wohnen und Integration vor. Dabei, betonte er, müsse zunächst geklärt werden, was mit Armut überhaupt gemeint sei. Im Gegensatz zur absoluten Armut in den Entwicklungsländern, wo es um existenzielle Fragen geht, spreche man bei uns von relativer, bzw. Kernarmut. Alle, die auf Transferleistungen angewiesen sind, gehören dazu. Boschek: „Arm ist jemand, der weniger als 60 Prozent des Durchschnittsbruttoeinkommens zur Verfügung hat.“ Das sind 18 540 Euro pro Jahr. 14 Prozent der Wittener hatten im Jahr 2007 unter 1000 Euro pro Monat zur Verfügung, zwölf Prozent waren es im gesamten EN-Kreis. Städte wie Sprockhövel und Herdecke schnitten wesentlich besser ab.
Armut, so Boschek weiter, habe viel mit Chancen zu tun – die etwa Migranten oder Schulabbrecher oft nicht haben. Armutsrisiken seien Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse (Teilzeit, geringer Verdienst), aber auch chronisch-psychische Erkrankungen.
Eineinhalb Jahre dauerte die Erstellung des Berichts durch zwei Sozialwissenschaftlerinnen. Gekostet habe er zwischen 50 000 und 60 000 Euro. Für den Ausschuss war schnell klar: Das ist für Witten nicht leistbar. Die regelmäßige Fortschreibung solch eines Armutsberichts wurde deshalb dem Kreis ans Herz gelegt. Der wird seine Schwerpunkte auf Präventionsprogramme für Kindergärten und auf die Schuldnerberatung legen.
„Wir vertiefen lieber das, was wir haben“, erklärte Erster Beigeordneter Frank Schweppe und verwies auf die frühen Hilfen des Projekts Kind in Witten oder den Offenen Ganztag, der bereits flächendeckend angeboten wird.