Witten. Niemand möchte sich gerne von einem Arzt behandeln lassen, der sein Handwerk nur aus Büchern beherrscht. Deswegen ist die praxisnahe Ausbildung ein unverzichtbarer Teil des Medizinstudiums.

Und weil alle 42 Medizinstudenten der Universität Witten/Herdecke genug Platz haben sollen, um den Ernstfall unter lebensechten Bedingungen zu proben, wurde dazu eigens ein Gebäudetrakt umgebaut. Der beherbergt jetzt 17 Themenräume, in denen auch die Prüfungen abgehalten werden. „An jeder Tür hängt dann ein Zettel mit der jeweiligen Aufgabe. Ein Gong signalisiert den Studierenden, wann sie loslegen sollen“, erläutert Professor Martin Fischer, Prodekan für Lehre und Didaktik an der UW/H. „Früher mussten wir wie ein Wanderzirkus nach Wuppertal fahren, damit die Studierenden ihre Prüfungen ablegen konnten“, erinnert er sich.

Neu ist auch der Einsatz von Schauspielern, die von den Medizinern in vorgegebener Zeit befragt, untersucht und behandelt werden müssen. An den Puppen und Modellen im Lern- und Prüfungszentrum können die zukünftigen Ärzte Geburten proben, Frühgeborene versorgen, Augenhintergründe untersuchen und Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten. Vor allem in den Phasen vor Prüfungen ist hier dementsprechen viel los. Aber auch in den Semesterferien sei es immer voll, erzählt Stephan Degener (28), der zwei Wochen vor seinem Staatsexamen steht und jede Minute zum Lernen nutzen muss. „Wenigstens kann man sich hier auch mal unterhalten. Das ist in der Bibliothek ja nicht so gern gesehen“, grinst er.

Und wenn einer lieber nachts lernt, dann ist das auch kein Problem. „Mit ihrer Smart-Card haben die Studierenden 24 Stunden lang Zugang zu den Räumen“, weiß Marzellus Hofmann, Leiter des Studiendekanats. Auch der Internetzugang in jedem der Themenräume erleichtere das Lernen erheblich, fügt er hinzu.

Insgesamt habe die Universität etwa 40.000 Euro in den Umbau und die Modelle investiert, so Professor Martin Fischer. Eine Investition, die sich in jedem Fall gelohnt habe, da man durch größere Praxisnähe während des Studiums dem Ärztemangel vorbeuge. „Wenn die Studierenden unter lebensechten Bedingungen Erfahrungen sammeln, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie im Beruf tatsächlich nah am Patienten bleiben“, führt er aus. Wie wichtig die Praxis während der Ausbildung ist, belegt eine Studie der Universität Kassel. Danach fühlen sich Ärzte auch nach zwei Jahren im Berufsleben in 44 von 46 wichtigen Fähigkeiten schlecht ausgebildet.