Witten. .

Am Sonntag ist der Tag des Geotops. Da lohnt nicht nur das Muttental einen Besuch. Auch der Steinbruch Rauen ist an diesem Tag für Interessierte geöffnet. Wir gingen vorab mit einem Kenner erdgeschichtlicher Vorgänge auf Tour.

Es sind nicht irgendwelche Felsformationen, die versteckt hinter ganz viel Grün davon zeugen, wie die Erde sich im Laufe von Jahrmillionen verändert hat. „Es ist das größte und wichtigste Geotop im Ruhrgebiet“, sagt Gerhard Koetter über den Steinbruch Rauen. Der ehemalige Lehrer, begeisterte Hobby-Geologe und Mitglied des Fördervereins bergbauhistorischer Stätten, der selbst schon Bücher über die Schätze in der Erde unter Witten geschrieben hat, öffnet uns das mit Graffiti bunt besprühte Tor zu diesem Naturdenkmal, das gegenüber dem Wanderweg zum Hohenstein am Kohlensiepen liegt.

Forsch schreitet der 73-Jährige voran. Als kleiner Junge sei er am Wochenende schon hier herumgelaufen, weil der Kotten der Oma ganz in der Nähe lag. Seit 1990 streift er wieder regelmäßig durch das Gebiet. Außer ihm tun das nur noch Naturschützer und Geologie-Studenten. Manchem Experten hat Koetter sein Paradies schon gezeigt. Entdeckt haben es auch jene, denen der Zutritt nicht erlaubt ist: Manche Feuerstelle zeugt von lauschigen Grillabenden. Nur eine Gruppe Motorradfahrer dürfe das Gelände gelegentlich noch nutzen, sagt Gerhard Koetter.

Der Weg führt steil bergan. Am Rand steht ein seltsamer Betonklotz – ein Ein-Mann-Bunker, der zum Schutz bei Sprengungen diente. Rechts und links wuchern Büsche und Bäume. „Das wächst hier immer mehr zu“, sagt Koetter. Die Natur erobert sich den Steinbruch, in dem bis 1925 abgebaut wurde, zurück. Auch Tiere siedeln sich hier an.

„Hören Sie den Bussard?“ Er kreist gerade über uns und ruft seinen Gefährten. Den Uhu, der aus der Eifel den Weg nach Witten gefunden hat, sehen wir nicht. Nur seine Spuren: weiße Kotflecken weit oben an der Felswand. „Dort sitzt er und frisst und beobachtet.“ Von Februar bis August zieht er seine Jungen groß. Während dieser Zeit darf niemand in den Steinbruch, sagen die Naturschützer. Und natürlich hält sich Koetter daran.

Plötzlich gibt das Grün den Blick frei. Wir stehen vor einem mächtigen Gesteinspaket. Die Kuppe des Wartenbergs ist aus hartem Sandstein, dessen offen gelegte und quer verlaufende Schichten gelblich leuchten. „Im Karbonzeitalter lagen die Schichten mal waagerecht.“ Später kommen wir vorbei an Schuttbergen aus Tonschiefer, die Koetter mit seinem Stock seelenruhig erklimmt. Wir sehen Wellen im Gestein, wie wir sie vom Watt in der Nordsee kennen. Noch später bewundern wir Muschelbänke, die 300 Millionen Jahre alt sind, und unter einem kleinen Flöz Abdrücke von Treibholzstücken im Fels, die aussehen, als hätte eine Flaschenbürste dort gelegen.

Am Rand eines Steilhangs dagegen liegt ganz echt ein Häufchen Stacheln – als hätte ein Igel sein Nadelkleid mal eben abgestreift. Tatsächlich hat er die unangenehme Bekanntschaft des Uhus gemacht. Ebenso wie die Enten und jungen Gänse, deren zerzauste Federn überall verstreut liegen.

„Jetzt kommt das Highlight“, sagt Koetter – nicht nur eins für Geologie-Interessierte. Wir stehen auf einem Plateau, das bei der bald beendeten Sanierung des Steinbruchs neu entstand. In der Erde unter uns liegt ungiftiger Bodenaushub – vor uns ein grandioses Panorama, das sich von Bommern über Ruhr-Uni und Edelstahlwerke bis zum Bergerdenkmal erstreckt.

Auch Gerhard Koetter mag diesen Blick ins Ruhrtal, in dem die Industrialisierung des Reviers mit den ersten Kohlefunden ihren Lauf nahm. Doch weit mehr liebt er die Geschichten, die die Steine erzählen können. Und er hofft, dass sie noch lange nicht in Vergessenheit geraten.