Es war sein erster Einsatz als Vertretungsarzt in England – und er endete tragisch. Ein Wittener Allgemeinmediziner wurde im Februar 2008 zu einem Patienten mit Nierensteinen und Koliken gerufen und verabreichte ihm 100 mg des britischen Schmerzmittels Diamorphin. Der 70-Jährige starb.
Die zulässige Dosis des Medikaments, das in Deutschland nicht erhältlich ist, wäre britischen Medizinerkreisen zufolge nur 10 Milligramm gewesen. Die britische Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Wittener Arzt wegen Totschlags. Doch verurteilt wurde er im Rahmen eines Strafbefehlsverfahrens durch das Amtsgericht Witten wegen fahrlässiger Tötung – zu neun Monaten Haft auf Bewährung und zur Zahlung einer Geldauflage von 5000 Euro.
Anwalt: Nur wenige Stunden Schlaf vor der ersten Schicht
Sein Mandant, der in Witten eine Praxis hat, stand damals unter enormem Druck, sagt sein Anwalt Reinhard Schauwienold. Zu seinem Einsatzort habe er nachts mit dem Auto fahren müssen, das Navigationsgerät sei kaputt gewesen und der Linksverkehr habe ihm Probleme bereitet. Vor seiner ersten Schicht, die um 8 Uhr begann, habe er nur wenige Stunden schlafen können.
In der Medikamentenbox, die man ihm für die Arbeit mitgegeben habe, seien auch keinerlei Hinweise auf eine tödliche Wirkung eines Medikaments gewesen, so Schauwienold weiter. „Das wäre bei uns völlig unvorstellbar.” Den einzigen Vorwurf, den man seinem Mandanten machen könne: Er hätte nachfragen müssen, bevor er das Medikament verabreicht. Genau dies habe auch die Staatsanwaltschaft seinem Mandanten vorgeworfen.
"Das ist eine tragische Geschichte, die nicht hätte passieren dürfen"
Der Arzt selbst hat die Angehörigen des Toten in einem Brief um Entschuldigung gebeten: „Kein Bedauern, Schmerz oder Grund meinerseits könnte das Leben Ihre Vaters ersetzen. Die Umstände (seines Todes) resultierten aus einer Verwechslung von Pethidine und hochdosiertem Diamorphin, einem Medikament, mit dem ich nicht vertraut bin, da es normalerweise im deutschen Bereitschaftsdienst nicht verwandt wird.” Er sei nervlich überfordert gewesen, müde und unkonzentriert, „was eine Hauptrolle bei dem Fehler gespielt hat.”
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat die Ärztekammer Westfalen-Lippe und die Bezirksregierung über das Verfahren informiert. Die Ärztekammer hat die Unterlagen noch nicht bekommen, sagt Sprecher Klaus Dercks. Die Bezirksregierung Arnsberg hingegen hat bereits „intensive Gespräche” mit dem Wittener geführt und „Sanktionen unterhalb der Schwelle des Entzugs der Approbation” verhängt, sagt Sprecher Christoph Söbbeler. „Das ist eine tragische Geschichte, die nicht hätte passieren dürfen.” Der Mediziner habe sich verpflichtet, nicht mehr im Ausland zu praktizieren, so sein Anwalt Schauwienold.
Die Familie des Verstorbenen kündigte zivilrechtliche Schritte gegen den Arzt an. Es gebe aber noch keine Forderungen, so Schauwienold.
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