Witten. .

„Das Taxigeschäft ist wie Angeln. Du wirfst die Leine aus und dann heißt es: Warten. Manchmal kommt ein kleiner Fisch, manchmal eine Forelle und eines Tages beißt vielleicht mal ein Schwertfisch an“, beschreibt Metin Kürtüncüoglu, der seit zehn Jahren Taxi fährt, seinen Beruf.

Und was war bis jetzt sein größter Fisch? „Eine Fahrt von hier nach Stuttgart“, antwortet der 52-Jährige, „ich sollte ein Paket abholen und fuhr es dann fast bis an die Schweizer Grenze.“ Vor 40 Jahren kam der Vater dreier erwachsener Kinder aus der Türkei nach Witten. Seitdem hat er mit vielen Tätigkeiten den Lebensunterhalt für seine Familie verdient. Er war Schlosser, Kranführer, Monteur. „Seit einem Bandscheibenvorfall vor zehn Jahren bin ich zu 50 Prozent arbeitsunfähig“, erzählt er, „und deswegen bin ich jetzt Taxifahrer.“ Natürlich sei das viele Sitzen nicht gut für ihn, aber er habe da seine Methoden. Kürtüncüoglu: „Ich gehe jeden Tag vor und nach der Arbeit eine Viertelstunde laufen.“

Die Wartezeit zwischen den einzelnen Fahrten vertreibt sich der Wittener, der seinen Stand vor dem Hauptbahnhof hat, mit Gesprächen, Kaffee trinken, Rauchen und Lesen. „Metin ist immer am Lesen“, bestätigen seine jüngeren Kollegen, die gerne seinen Geschichten zuhören und wissen, dass sie viel von ihm lernen können. Nicht nur, dass man vor dem Fahren möglichst wenig essen sollte, weil man sonst schnell müde wird, sondern auch über das gute Verhältnis der Deutschen und der Türken im Ersten Weltkrieg oder die römische Erde in seiner Geburtsstadt Kayseri.

Sein Gesicht strahlt, als er von seiner Heimat spricht. Stolz erzählt Metin Kürtüncüogluer, dass er mit dem türkischen Präsidenten zur Schule gegangen ist, und fügt lachend hinzu: „Er wurde Präsident in der Türkei und ich wurde Taxifahrer in Deutschland.“

Seit über einer Stunde steht der Familienvater bereits neben seinem Wagen und wartet. Ein schlechter Tag? „Es läuft nicht gerade gut heute, aber schlechte Tage gibt es nicht. Ich bin gut drauf, trotz allem und das ist die Hauptsache.“ Wenig später erhält er dann doch einen Auftrag: Ein älterer Herr wartet in Schnee vor einem Supermarkt darauf, nach Annen gefahren zu werden. Metin Kürtüncüoglu hat viele Stammkunden.

Dass die Fahrgäste immer wieder kämen, habe sehr viel mit Vertrauen zu tun, sagt er. „Ich bin auch Lebensberater, die Kunden wollen oft meine Meinung hören. Einmal habe ich eine Dame nach einer Zahn-OP abgeholt. Sie hatte fürchterliche Schmerzen, war sehr schlecht drauf. Da habe ich sie beruhigt und ihr gesagt, sie soll den Schmerzen 24 Stunden geben, danach hätte sie Ruhe.“ Und tatsächlich, am nächsten Tag habe sich die Frau bei ihm gemeldet und ihm für seine moralische Unterstützung gedankt.

Solche Geschichten erzählt Metin Kürtüncüoglu gerne. Sie machen seinen Beruf zu etwas Besonderem. Selbst nach zehn Jahren kommt er nicht aus dem Schwärmen heraus, wenn er durch die Natur fährt. „Das Schönste an meiner Arbeit ist das Spazierenfahren. Ist es nicht wunderschön hier? Witten könnte ich nie verlassen. Dieses ganze Grün, es beruhigt meine Nerven“. Seine positive Einstellung färbt auf die Gäste ab. Die nächste Kundin erwartet den Taxifahrer schon in der Haustür und begrüßt ihn wie einen alten Freund.