Witten. .

Es dauert ein paar Tage, dann weicht der Schock - dafür kommen die Bilder. Von der Enge, den Schreien. Nach dem Unglück bei der Love-Parade fängt die Arbeit der Seelsorger an, auch in den für Witten zuständigen Stellen.

Die Aufarbeitung einer Katastrophe hat ihr eigenes Tempo, weiß Birgit (49) von der Telefonseelsorge Hagen-Mark, zuständig für den EN-Kreis. Erst kommt der Schock, dann die Wut, dann die Trauer, dann (vielleicht) das Bedürfnis zu Reden. Davon machen gerade die Jugendlichen Gebrauch. Sie mailen, chatten, twittern, posten. Aber wer hört in all dem multimedialen Aufarbeitungsspektakel wirklich zu? Wer ordnet das Kopfkino? Wer erkennt, wann ein schlimmes Trauma wächst?

Gerade deshalb sind professionelle Helfer wichtig. Hotlines, Psychologen, Seelsorger. „Die Bewältigung solcher Erlebnisse wie in Duisburg überfordert manchmal die Betroffenen“, sagt Dr. Alexandra-Balcar, Notfallpsychotherapeutin des LWL-Psychotherapieverbundes Westfalen. LWL ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Die Betroffenen würden erst Tage später reagieren. Die Palette der Symptome reiche von Albträumen bis hin zu Wut und Schuldgefühlen.

Viele der Seelsorger nutzen auch die modernen Kommunikationsmedien, um mit den Hilfesuchenden in Kontakt zu kommen. So bietet die Telefonseelsorge einen Chat an, antwortet auf E-Mails. „Gerade das Schreiben bietet gute Möglichkeiten, sich von dem Geschehenen zu distanzieren.“ Das sei wichtig. Genauso wie ein Ort, wo man mit der Trauer hingehen kann.

Am Samstag, kurz nach der Katastrophe, meldeten sich vor allem Eltern bei der Telefonseelsorge. „Ein Vater rief an, er hatte große Angst. Seine Tochter konnte er nicht erreichen.“ Immer wieder Panik: Wo ist mein Kind? Hier war zuerst Beruhigung gefragt. Am Sonntag dann, da wollten viele einfach nur sprechen. „Die waren aufgewühlt von den Bildern im Fernsehen. Nicht, weil die jemanden vermissten“, sagt Birgit Knatz. Handyaufnahmen vermittelten den Schrecken auf eine bisher nicht dagewesene Weise.

Ab Montag erreichten die ersten E-Mails von „Opfern“ die Seelsorger. „Plötzlich riss die Hand meines Freundes ab.“ Den Eltern raten Psychologen, ihre Kinder nicht zu bedrängen, aber immer ein Gesprächsangebot zu machen. Ein Trauma zeige sich daran, dass das Erlebte immer und immer wieder auftaucht. Dann wird es höchste Zeit für den Psychologen.

Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Witten berichtet Tanja Krok (37), Kreisrotkreuzleiterin davon, dass man nach der Katastrophe die Helfer überregional zur Gesprächsrunde geladen hatte. „Wir stellen uns auf eine lange Zeit ein, in der es eine psychologische Nachbetreuung geben wird.“

Mehr Informationen: DerWesten-Spezial zur Loveparade-Tragödie in Duisburg