Witten. „I love my prophet.” Nur vier Worte als Flock auf einem T-Shirt. Das war 2006. Heute ist daraus ein muslimisches Mode-Label gewachsen, das aus Witten Menschen auf mehreren Kontinenten erreicht – und längst nicht nur Muslime. Gründer von „Styleislam” ist der Wittener Melih Kesmen (34).
Hinter der Tür eines Altbaus in der Wittener Innenstadt verdient auf 110 Quadratmetern nur noch eine graue Gegensprechanlage das Prädikat „alt”. An den frisch gestrichenen Wänden kleben bunte Graffiti, von der Decke strahlt helles Licht, aus den Boxen kommt sanfter Hip Hop. Hier hat Melih Kesmen sein Büro. Der Mann mit dem T-Shirt.
Gemeinsam mit seiner Frau Yeliz kam er 2005 aus Mekka zurück nach Europa, als die Mohammed-Karikaturen die Zeitungen erreichten. „Spirituell waren wir nach der Pilgerfahrt ohnehin sensibel”, erinnert sich Yeliz Kesmen (30). Doch Ehemann Melih wollte keine Fahnen verbrennen, wie es TV-Bilder anderer Muslime transportierten. Er wollte ein positives Statement geben: „Ich liebe meinen Propheten.”
"Wir jungen Leute können was ändern!"
Ein simpler Satz brachte ihn ins Gespräch mit Muslimen, Christen, Atheisten. Und obwohl er an der Dortmunder Fachhochschule „Visuelle Kommunikation” studiert hatte, überraschte ihn das Ausmaß der Reaktionen. Sie mündeten in die Idee eines eigenen Labels. Denn Kesmen hatte mehr mitzuteilen als die Liebe zu seinem Propheten: „Man kann nicht nur Europäer oder Muslim sein, sondern auch europäischer Muslim.” Mit seiner „Multi-Identität” kann der Sohn eines türkischen Gastarbeiters gut leben. Und dieses Selbstbewusstsein will er mit seiner frischen Mode weitergeben. „Manche müssen aus ihrer Opferrolle raus”, sagt Ehefrau Yeliz. „Das ist unsere Mission! Wir – die jungen Leute – können was ändern.”
Dass es zuweilen besonderen Fingerspitzengefühls bedarf, merkten sie beim textilen Dialogversuch zwischen Islam und Christentum: „Jesus is a muslim”, ließen sie auf eines der ersten Shirts drucken. Was Jesus wörtlich nur als „gottergeben” beschreibt, führte zu Missverständnissen und Drohanrufen aus Bayern. „Es ist aber nicht unsere Absicht zu provozieren”, so Melih Kesmen – und änderte es kurzerhand in: „Jesus und Mohammed – Brüder im Glauben.”
"Nicht zu eng, nicht zu knapp - aber stylisch!"
Mittlerweile gibt es auch Schlüsselanhänger in Form von Kopftuchmädchen. Demnächst soll weibliche Mode entstehen. „Nicht zu eng, nicht zu knapp”, verrät Melih, „aber cool und stylisch”. Die sieben Mitarbeiter werden gerade kreativ. Sie sind alle muslimisch. „Aber auch Nicht-Muslime können natürlich gerne mitarbeiten”, sagt Kesmen. 2007 gingen monatlich Hunderte Produkte über den virtuellen Ladentisch (denn einen Shop gibt es nur online), jetzt sind es Tausende. In der Türkei, Europa, den USA.
Bis jetzt nur im Netz
Die Mode von „Styleislam” gibt es bisher nur online unter www.styleislam.com. „Ein Jahr wird's bestimmt noch dauern”, sagt Melih Kesmen, „dann könnte es einen Shop im Ruhrgebiet geben”. Der Bekanntheitsgrad steigt. Jüngst war das junge Label sogar Thema in der US-Tageszeitung „New York Times”.
Behauptungen, das Label forciere eine „schleichende Islamisierung”, tun Yeliz und Melih Kesmen als „Stammtischparolen” ab. Auch über die eigene Glaubensgemeinschaft schütteln sie den Kopf: „Einige meinen, es sei nur islamisch, wenn man arabische Folklore betreibt.” Sie freuen sich lieber über die Zustimmung. Sprüche von Styleislam tauchen mittlerweile im evangelischen Religionsbuch von Bayern auf, Unis und Stiftungen laden Kesmen als Redner ein, und nun sogar die „alten” und „konservativen” muslimischen Verbände. So wird aus der neuen Mode vielleicht ein Modell – und aus dem Mann, der seinen Propheten liebt, selbst ein kleiner Prophet.