Witten. Die Belegschaft von Gallade will das insolvente Unternehmen selbst weiterführen.
Es ist wieder einer von diesen Freitagen, an denen einem der kalte Wind in Heven nur so um die Ohren pfeift. Die Fernsehteams vor Galladé sind schon abgezogen, als einige Mitarbeiter um Viertel vor eins zur Mittagsschicht eilen. Manche von ihnen, noch längst nicht alle, hat gerade die sensationelle Nachricht erreicht, dass die Belegschaft den insolventen Automobilzulieferer künftig selbst steuern soll.
So zumindest stellt es sich der Betriebsrat vor, der bislang ungefähr die Hälfte der Belegschaft von seinen Plänen in Kenntnis setzen konnte. Viele der 165 Beschäftigten sind wegen der Kurzarbeit gar nicht im Betrieb. Die meisten, die arbeiten, fänden es gut, wenn das Konzept zum Tragen käme.
„Wir haben doch nichts zu verlieren”, sagt Dieter Gantowski (54), der seit 34 Jahren in dem Traditionsbetrieb arbeitet und dem Betriebsrat angehört. Nähmen sie jetzt nicht selbst das Ruder in die Hand, sagt er, „dann wäre der 1. April unser erster Arbeitslosentag.” Denn um die Verluste einzugrenzen, hat der Gläubigerausschuss in dieser Woche das Aus für den Fall beschlossen, dass sich in den nächsten 14 Tagen kein tragfähiges Konzept zur Fortführung findet.
Diese Entscheidung hat quasi über Nacht den Entschluss des Betriebsrats herbeigeführt, es nun selbst zu versuchen. „Wir haben schon so viel mitgetragen. Warum sollen es wir jetzt nicht selbst tragen”, meint Wolfgang Streich (54), der seit 28 Jahren im Unternehmen ist. Eben weil sie ihr Schicksal dann selbst in der Hand hätten, sieht er in dem Mitarbeiter-Modell eine gute Chance.
An diesem Wochenende will sich die Belegschaftsvertretung „einschließen” und ein Konzept erarbeiten, das den Segen des Insolvenzverwalters und vor allem des Gläubigerausschusses findet. Denn ohne die Gläubiger, vor allem die Banken – Sparkasse und IKB –, aber auch die Lieferanten wird es nicht gehen. Betriebsratsvorsitzender Frank Ellerkamp: „Wir müssen sie davon überzeugen, dass es funktioniert, dass wir die Besten sind. Wir haben zwar keine Millionen herumliegen, mit denen wir starten könnten. Aber das größte Kapital sind unsere Mitarbeiter.”
Jeder von ihnen, so die Planung, soll eine Einlage von 100 Euro leisten und Gesellschafter werden. Der Insolvenzverwalter soll das alte Unternehmen abwickeln, die Mitarbeiter zwei neue Gesellschaften gründen: die Galladé Schmiedetechnik und die Galladé Komponentenfertigung. Maschinen und Gebäude sollen von den Gläubigern gemietet werden. Neue Kredite werden aber auch nötig sein.
Positive Signale gebe es bereits von den Kunden, heißt es, und Insolvenzverwalter Manfred Gottschalk spricht von einer guten Idee. „Es wäre schön, wenn sie umsetzbar wäre.” Gottschalk erwähnt gleichzeitig noch einen „strategischen” Investor, der Interesse habe und nächste Woche die Bücher einsehen wolle.
Voller Begeisterung ist jetzt schon Andreas Knape (47), der als Geschäftsführer ausgeguckt ist. Er habe in der Branche einen guten Ruf, weiß IG-Metall-Chef Manfred Müller, der auf andere geglückte Mitarbeitermodelle in Deutschland verweist. Knape war vier Jahre Einkaufschef und Prokurist der „A D Industry Group” in Dessau. Er setzt voll auf die Mitarbeiter: „Wir haben hier eine hoch motivierte Truppe, die durch dick und dünn gegangen ist.”