Witten. Können schwerstbehinderte Kinder in einer regulären Kita-Gruppe aufgenommen werden? Eine Heilpädagogin aus Witten ist besorgt - und hat sich in Norwegen ein Bild darüber gemacht, wie es laufen könnte.

Es könnte so schön sein: In einer Kindergartengruppe sitzen behinderte und nicht behinderte Kinder zusammen. Die Gruppen sind klein, für alle gibt es adäquate Unterstützung – und niemand fühlt sich ausgegrenzt. Das ist die Idee der „Inklusion”. In Skandinavien funktioniert das Modell. In Deutschland soll es laut UN-Konvention möglichst auch umgesetzt werden. Aber wie, wenn Regelkindergärten noch nie mit behinderten Kindern gearbeitet haben?

Viele Pädagogen machen sich Sorgen um die Betreuungsqualität von Schwerstbehinderten in solchen integrativen Gruppen der Zukunft, die vorher keinen Förderschwerpunkt gekannt haben. Wie können schwere Autisten dort integriert werden? Wie Kinder mit schlimmen Wahrnehmungsstörungen?

Eine, die ihre Stirn in Sorgenfalten legt, ist die Leiterin der Lebenshilfe-Kita am Helenenberg, Manon Füllgraf. Sie war in Norwegen, hat sich die integrative Betreuung angesehen und ihre Eindrücke in einem Vortrag zusammengefasst. „Die norwegischen Kollegen haben deutlich mehr Ressourcen zur Verfügung”, sagt sie. Aber: „Auch die Norweger berichteten, nicht jedes Kind sei in jede Gruppe integrierfähig.” Das sage hierzulande nur keiner.

Die richtige Idee, aber...

Die Idee der Integration von Förderkindern in die Regelkindergärten sei im Prinzip richtig, findet Manon Füllgraf, aber dafür müsse ein Land auch Geld in die Hand nehmen. „Und das Wohl des Kindes immer im Auge behalten.”

Schließlich werden auch Kommunen mit der Einführung der Inklusion finanziell belastet. Sie müssen zum Beispiel sicherstellen, dass die Gebäude für körperlich behinderte Kinder zugänglich sind und Betreuungspersonal für die Förderkinder einstellen, so genannte Integrationskräfte. Doch die Kassen sind leer. Einen Heilpädagogen zu beschäftigen, das kostet. Die meisten Integrationshilfen seien derzeit gar keine Heilpädagogen und würden nicht selten wegen Personalmangels für den regulären Betrieb gebraucht, berichten Erzieher.

Was bedeutet die Idee der Inklusion in den Vorschul-Institutionen für Witten? Der zuständige Ansprechpartner im Jugendamt war gestern nicht zu erreichen. In Norwegen seien die Gruppen viel kleiner, die pädagogische Qualität deutlich höher, da mehr Fachkräfte im Einsatz seien. 90 Prozent der Kinder lernen dort in kleinen integrativen Gruppen. In Witten hat eine Regelgruppe im Kindergarten etwa 26 Kinder, betreut von anderthalb Fachkräften. Eine heilpädagogische Gruppe, wie sie an der Kita am Helenenberg zu finden ist, arbeitet zu zweit mit acht Kindern.

Mehr Unterstützung

Pro Jahr kommen etwa zwei Kinder in diesen Förderkindergarten, weil sie in einem regulären nicht funktionierten. Sie brauchten mehr Unterstützung. Und was machen die Lehrer, die nie mit behinderten Kindern gearbeitet haben? Auf diese Fragen müssen Antworten gefunden werden.

In Witten gibt es bereits mehrere integrative Kindergärten. Die sind extra auf ein Zusammenlernen unterschiedlicher Kinder ausgerichtet. Ruth Tennie, Leiterin des integrativen Kindergartens Krone, berichtet Positives. Die Therapeuten kommen in die Einrichtung, das Miteinander sei für die Kinder sehr gut, die Gruppen funktionieren. „Aber die Heilpädagogik können wir nicht ersetzen.”