Witten. Eine zweijährige Pflege-Teilzeit für Berufstätige, die sich um ihre Angehörigen kümmern, schlägt Familienministerin Schröder vor. Doch selber zu pflegen, das ist eine schwere Herausforderung. Die viele Menschen annehmen – Menschen wie Patricia Froß aus Witten, die ihren Sohn Marco versorgt.

„Ich bin ein sehr geduldiger Mensch. Und das ist eine sehr wichtige Voraussetzung”, sagt Patricia Froß, die ihren Sohn Marco (30) rund um die Uhr pflegt. „Marco kann nicht gehen, nicht stehen, nicht selbstständig essen oder trinken. Er bekommt alles mit, aber nach zehn Minuten ist es aus dem Kurzzeitgedächtnis verschwunden”, erzählt die 51-Jährige. Marcos Leben war unbeschwert, bis vor drei Jahren ein angeborenes, unentdecktes Hirn-Aneurisma bei ihm platzte. „Danach war mein Sohn in sieben Kliniken, teils zur Reha, aber ich war nur mit einer zufrieden”, sagt Patricia Froß, die selbst examinierte Altenpflegerin ist.

Marco hat Pflegestufe drei (das ist die höchste). Seine Mutter erhält monatlich 685 Euro, weil sie ihn selbst betreut. „Das Pflegen selbst überfordert mich nicht. Viel schlimmer sind die Phasen dazwischen, in denen ich hier so herumsitze. Denn eigentlich bin ich ein aktiver Mensch, habe gearbeitet, bin leidenschaftlich Motorrad gefahren oder an der Ruhr gewesen”, erzählt die Wittenerin.

Froß, die zwischenzeitlich in Bochum wohnte, ist nach Witten zurückgekehrt, „weil hier meine Eltern und Geschwister wohnen und Marcos Freunde”. Zwei von denen kämen noch, „von Zeit zu Zeit”. Die anderen Freundschaften hätten sich verflüchtigt.

Marco ist meistens nachts wach

Marco hat einen verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus. Das heißt, er ist meistens nachts wach. Somit auch seine Mutter. Samstags wird Marco von Patricia Froß' Bruder gepflegt, denn dann fährt sie nachts Taxi. „Das Geld kann ich gut gebrauchen. Und es ist für mich Entspannung. Ich brauche ab und an auch mal meine eigene Welt.”

Kranke oder Alte zu pflegen, das scheinen sich viele Menschen nicht zuzutrauen. „Wir haben schon heute Probleme, Stellen in der Alten- und Krankenpflege zu besetzen. Das geht anderen Sozialstationen ähnlich”, erklärt Caritas-Geschäftsführer Hartmut Claes. Deshalb „geht der Vorschlag der Familienministerin in die richtige Richtung, denn er trägt dem demografischen Wandel Rechnung”, so Claes. Er findet: „Ideal wäre, wenn die privat erbrachte Pflegeleistung sich mit der einer Sozialstation ergänzen würde, was aber heute schon üblich ist. Denn wir sind ja schon jetzt auf die Mithilfe der Angehörigen angewiesen.”

Pflegender wird nicht ganz aus der Arbeitswelt gerissen

Gut findet er auch an Kristina Schröders Pflege-Teilzeit-Modell, „dass der Pflegende nicht ganz aus der Arbeitswelt gerissen wird und so den Kontakt zu seinen Kollegen und seinem Fach hält”. Allerdings stelle sich die Frage, ob die Arbeitgeber bei diesem Modell mitmachen würden, weil ihnen die Flexibilität solcher Mitarbeiter verloren gehe.

Auch Reinhard Quellmann, Geschäftsführer der gemeinnützigen Diakonie Ruhr Pflege GmbH, hält Schröders Modell „für sinnvoll, wenn es das Familiensystem stärkt”. Denn die Vereinzelung nehme in unserer Gesellschaft zu. Man müsse allerdings sehen, wie „praxisnah” Schröders Vorschlag sei. Eine Konkurrenz für professionelle Anbieter sieht er in der Pflege durch Angehörige nicht: Quellmann: „Selbst, wenn Pflegedienste dreimal am Tag kommen, ist noch genug Restzeit an Pflegebedarf übrig.”