Als Günter Oelscher das Telefon weglegte, war er tief betroffen: Ein ehemaliger Bewohner des katholischen Franz-Sales-Hauses in Essen, das der Wittener leitet, hatte ihm erzählt, er sei Ende der sechziger Jahre von einem früheren Angestellten sexuell missbraucht und erniedrigt worden.
„Ich bin total erschüttert”, sagt Oelscher. Er werde alles daran setzen, dass der Fall aufgeklärt werde.
Der jetzt 55-jährige Mann lebte als Jugendlicher in dem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen in Huttrop. Der Angestellte, der ihn vergewaltigt haben soll, arbeitete dort bis 1982, so Oelscher. Dann sei er in Rente gegangen und es gab nur noch selten Kontakt zum Haus.
Inzwischen lägen ihm weiterere Fälle von Erniedrigungen vor, die glaubwürdig seien, aber noch geprüft werden müssten, so Oelscher. Mehrere Bewohner erzählten, dass damals rigide Erziehungsmethoden herrschten. Er glaube aber nicht, dass dies seinerzeit durchgängiger Standard im Franz-Sales-Haus gewesen sei, sondern dass es mit einzelnen Personen zusammengehangen habe. „Den Vorwürfen werden wir aber mit aller Entschiedenheit nachgehen.”
Er hofft jetzt, dass die Ruhr-Uni die Geschichte des Haues aufarbeite. Dort gebe es Spezialisten, die zum Thema Kinderheime forschten. Opfern möglicher Übergriffe wolle das Haus aber schnell Hilfsangebote machen. Bereits eingerichtet worden sei eine Anlaufstelle für Geschädigte. Die Betreuung heutzutage sei mit der Situation in den Sechzigern nicht zu vergleichen.
Auf ganz moderne Standards setzen auch die Wittener Häuser der Lebenshilfe und Christopherus-Hof. Um größtmögliche Sicherheit für die Bewohner zu gewährleisten, verlangen beide bei Neueinstellungen standardmäßig ein polizeiliches Führungszeugnis. Außerdem würden sämtliche Referenzen unter die Lupe genommen, sagt der Leiter der Wohnstätten, Stefan Lankers. Ganz wichtig sei auch die soziale Kontrolle im Team. Außerdem würden die Mitarbeiter für das frühe Erkennen von Übergriffen sensibilisiert und geschult, wie Magdalena Gleitz, Leiterin der Wohn- und Lebensgemeinschaft, erklärt.
Doch bei aller Vorsicht: Hundertprozentig ausschließen könne man solche Taten wohl nicht, so Lankers. „Man muss ganz wachsam sein”, sagt Magdalena Gleitz.