Witten/EN-Kreis. Viele Notrufe gehen bei Andreas Rüping in der Leitstelle ein. An einen erinnert er sich besonders. Denn bei dem musste er Detektivarbeit leisten.
Rund 93.000-mal wurde im Jahr 2023 im EN-Kreis der Notruf gewählt. Eine Mammutaufgabe für die Leitstelle. Denn die Einsatzkräfte müssen oft in Sekunden entscheiden, was zu tun ist - und dabei manchmal echte Detektivarbeit leisten. Zum Notruftag, der am 11. Februar europaweit gefeiert wird, blickt Andreas Rüping von der Kreisleitstelle auf die ungewöhnlichsten Fälle im letzten Jahr zurück. Und verrät, warum Kinder oft die besseren Anrufer sind.
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An einen Anruf kann sich Rüping noch ganz besonders gut erinnern. „Er kam über eine Smartwatch, die Uhr hatte selbstständig den Notruf abgesetzt“, erzählt der 55-Jährige. Die Technik meldete ein „schweres Sturzgeschehen“ und schickte auch ihre Koordinaten mit. Zu hören war niemand, „nur ein Geraschel“. Der Mann in der Leitstelle gab daraufhin schnell die Koordinaten der Uhr ins System ein und fand einen Standort in Schwelm - auf 35 Meter genau.
Bundesnetzagentur nannte eine Adresse in Köln
Was bei einem Sturz im Wald ziemlich exakt wäre, ist in der Stadt eher eine grobe Angabe. In Schwelm kamen mehrere Wohnungen infrage. Der Disponent startete daher sofort eine Abfrage bei der Bundesnetzagentur nach dem Inhaber der Mobilfunknummer der Uhr. „Da hatte ich in einer Minute eine Antwort.“ Allerdings: Die angegebene Adresse lag in Köln. Wie sich später herausstellte, hatte ein Familienangehöriger der Schwelmerin die Smartwatch geschenkt.
Doch Andreas Rüping gab nicht auf. Mit dem Namen, den er bekommen hatte, forschte er weiter und fragte bei der Polizei nach. „Das war ein Volltreffer.“ Den Namen gab‘s - und zwar genau in einer Hausnummer, die zu den Koordinaten der Smartwatch passte. Der 55-Jährige schickte umgehend Feuerwehr und Rettungsdienst los.
Die Einsatzkräfte fanden an der angegebenen Adresse eine bewusstlose Seniorin mit einer stark blutenden Kopfverletzung vor. „Die Uhr war tatsächlich ihr Lebensretter“, sagt der Disponent. Das habe ihm der Notarzt später noch einmal bestätigt. Die Uhr - und sicher auch Rüpings Beharrlichkeit.
Disponenten begleiten am Telefon notfalls auch eine Reanimation
Der Fall zeigt, was Andreas Rüping und seine 39 Kolleginnen und Kollegen auszeichnet, die sämtliche Einsätze im Feuer- und Katastrophenschutz, Rettungs- und Notarztdienst sowie Krankentransport im EN-Kreis koordinieren: Auch wenn jede Sekunde zählt, können sie die Ruhe bewahren - und sogar auf die Anrufer übertragen. Selbst dann, wenn es hart auf hart kommt.
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Die Disponenten, alles gelernte Feuerwehrleute und Rettungsassistenten, erklären, was zu tun ist, wenn eine Erstickung droht. Begleiten, wenn es sein muss, auch eine Reanimation telefonisch. „Wir leiten an, motivieren weiterzumachen, unterstützen“, sagt Rüping. „So lange, bis der Rettungsdienst eintrifft, bleiben wir dran.“ Solche Situationen seien auch für die Profis nicht immer ganz leicht. „Klar, man bekommt einen Umgang damit, aber wenn es etwa um Kinder geht, dann nimmt uns das auch mit.“
Mitarbeiter der Leitstelle führen jetzt durch das Gespräch
Er betont, auch bei alltäglichen Fällen sei den Mitarbeitern in der Leitstelle eines immer bewusst: „Für uns ist es Routine, für jeden Anrufer aber eine Ausnahmesituation.“ In ihrer Aufregung würden die Menschen allerdings oft anfangen, Nebensächlichkeiten zu erzählen, bevor sie zu den wichtigen Punkten kommen: wo, wer, was. Deswegen übernehmen die Profis neuerdings sofort die Gesprächsführung. Anstatt wie früher darauf zu warten, dass der Hilfesuchende möglichst viele W-Informationen liefert, leiten Rüping und seine Kollegen die Anrufer nun durch einen vorgegebenen Fragenkatalog. „Schließlich geht es uns darum, die wichtigsten Fakten möglichst schnell zu erfahren.“ Sein Appell lautet daher: „Bitte hören Sie genau zu und beantworten unsere Fragen!“
Doch nicht jeder habe Verständnis dafür, erst Auskunft geben zu müssen. „Jetzt schicken Sie doch endlich den Arzt los!“ So etwas hören Rüping und seine Kollegen häufig, wenn sie nach der Atmung oder dem Infektionsstatus eines Patienten fragen. „Dabei ist das entscheidend, damit wir alles Wichtige zur Notlage an die Einsatzkräfte weitergeben können“, erklärt er. Seine Erfahrung: Am besten laufen die Notruf-Gespräche häufig ausgerechnet mit Kindern. „Die sind aufmerksamer, hören genau zu und antworten auch oft besser.“
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Übrigens: Der Fall mit der gestürzten Seniorin in Schwelm war für ihn der zweite Einsatz mit einer Smartwatch. Den ersten hatte die Uhr eines Kollegen ausgelöst, als der sich im Dienst mit den Worten „Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst“ am Telefon gemeldet hatte. Das hatte die Uhr für ihr Stichwort gehalten - und die Leitstelle alarmiert.
Was ist ein Fall für die 112?
Wann sollte man den Notruf 112 wählen? Andreas Rüping von der Kreisleitstelle erklärt es so: „Immer dann, wenn eine lebensbedrohliche, zeitkritische Situation vorliegt - Schlaganfall, Herzinfarkt, stark blutende Wunden, schwere Unfälle, Vergiftungen.“ Auch bei einer plötzlichen Geburt, allerdings nicht bei der ersten Wehe.
Generell gelte: Mit all den Beschwerden, mit denen man zum Hausarzt gehen kann - beispielsweise Durchfall oder einem grippalen Infekt - sei die 112 die falsche Nummer. In solchen Fällen können sich Patienten außerhalb der Praxisöffnungszeiten rund um die Uhr die bundesweite kostenlose Telefonnummer 116 117 wenden.