Witten. Unfair? Kinder aus Durchholz werden auf zwei Grundschulen verteilt. Zur einen fährt ein Bus, bei der anderen gilt die „Bringschuld“ der Eltern.
Was hat Buchholz, was Vormholz nicht hat? Einen Schulbus für die Grundschulkinder, die in Durchholz wohnen! Dort leben allerdings auch viele Familien, deren Kinder die Vormholzer Grundschule besuchen. Eine Schülerbeförderung gibt es für sie nicht, diese hat die Stadt Witten aus Kostengründen bislang abgelehnt. Bald 30 Kinder werden darum in regelrechten Elterntaxi-Kolonnen nach Vormholz chauffiert. Das wollen die Durchholzer nicht länger hinnehmen.
Der Reihe nach. Im Schuljahr 2009/2010 wurde die Grundschule Durchholz geschlossen und der Ortsteil in zwei Schul-Einzugsbereiche aufgeteilt. Die eine Hälfte der Kinder bekommt seitdem die Vormholzer Grundschule zugewiesen, die andere die Buchholzer. Obwohl die Entfernungen zwischen Wohnort und Grundschule vergleichbar sind, gibt es einmal einen Bus, einmal nicht. Denn laut Stadtverwaltung ist die Zahl der anspruchsberechtigten Kinder für Fahrten nach Buchholz deutlich höher.
30 Kinder würden Bus nutzen
Längst aber nehmen die Anmeldungen an der Vormholzer Grundschule zu. Auf Wunsch der Stadt wird sie künftig zweizügig geführt, während die anderen Grundschulen im Großraum Herbede nur noch eine erste Klasse aufnehmen. Das führt auch dazu, dass vermehrt Kinder aus Durchholz in der Schule am Vormholzer Ring angemeldet werden.
Nach Auskunft der Schulleitung besuchen aktuell Kinder aus 19 Durchholzer Familie die Vormholzer Grundschule. Zum Sommer haben sich aber weitere 13 i-Dötzchen aus dem Ortsteil angemeldet. Das macht bald 30 Kinder, die eigenständig und umweltfreundlich mit dem Bus in ihre Grundschule fahren - wenn es einen gäbe.
Durchholzer Buslinie kostet pro Jahr 46.000 Euro
Bereits im Februar ließ die CDU-Fraktion im Rat die Möglichkeit hierzu prüfen. Deren schulpolitische Sprecherin Regina Fiedler betont: „Uns geht es nicht um eine Streichung des Buchholz-Busses, dieser hat klar seine Berechtigung. Wir wollen eine Gleichbehandlung erreichen.“ Die im Oktober erfolgte Stellungnahme der Verwaltung enttäuschte Fiedler aber. Mit Blick auf die klamme Haushaltslage wurde eine verlässliche Schülerbeförderung abgelehnt. „Das kann nicht mehr auf privater Ebene geregelt werden, zumal Fahrten mit Elterntaxis aus ökologischen Gründen und Sicherheitsaspekten vermieden werden sollten“, findet die Ratsfrau. CDU und Grüne haben erneut einen Antrag an den Stadtrat geschrieben.
Die Stadt hat sogar die Einrichtung einer Buslinie geprüft. Rechtlich möglich wäre diese, da die öffentliche Buslinie nur einmal pro Stunde vom Durchholzer Platz aus in Richtung Vormholz startet. Aber auch wirtschaftlich? Die Stadt würde dieser Schulbus pro Kalenderjahr rund 46.000 Euro kosten. Laut Verwaltungsvorlage würden aktuell etwa 15 bis 18 anspruchsberechtigte Kinder aus der Jahrgangsstufe 1 den Bus verbindlich für den Weg zur Schule nutzen wollen. Für die Rückfahrt sind es allerdings nur fünf Familien - viele Kinder gehen nach Unterrichtsschluss in die Ganztagsbetreuung. Die Kinder, die im Sommer dazukommen, wurden in die Prüfung nicht einbezogen.
„Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar“, sagt dazu Wittens Schuldezernent Frank Schweppe - und lehnt die Einrichtung einer zusätzlichen Buslinie ab. Sie sei unverhältnismäßig kostenaufwändig. Grundsätzlich sei die Beförderung von Kindern zur Schule als „Bringschuld“ der Eltern zu begreifen.
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Nicht nachvollziehen kann diese Argumentation die fünfköpfige Familie Lempa aus der Kellerstraße. Jeden Morgen fährt Daniel Lempa seinen Sohn zur Schule und holt ihn mittags wieder ab. Das geht nur, weil der Familienvater aktuell ein berufliches Sabbatjahr eingelegt hat. Es ärgert ihn jeden Tag, dass er zusammen mit vielen anderen Durchholzer Eltern täglich durch den engen Vormholzer Ring kurvt, wo doch alle Kinder in einem Bus sitzen könnten. „Es sind sechs, sieben Autos, die morgens geschlossen hintereinander nach Vormholz runterfahren“, sagt der 37-Jährige. Einige Familien hätten sich zwar zu gemeinsamen Fahrten zusammengeschlossen. „Aber der aktuelle Ist-Zustand geht gar nicht.“
Die Lempas sind nach Ende des väterlichen Sabbatjahres auf OGS-Plätze für ihre dann zwei Schulkinder angewiesen - nur, weil kein Schulbus fährt. Mutter Annika Lempa arbeitet daheim als Tagesmutter und passt auf fünf Kleinkinder auf. Sie kann nicht weg, um ihre Söhne abzuholen. Die beiden Jungs könnten aber nach Schulschluss allein nach Hause kommen - und die auch für die Stadt teuren OGS-Plätze wären unnötig. Derweil fährt der Schulbus nach Buchholz täglich durch die Kellerstraße am Haus der Lempas vorbei und zeigt, wie es gehen könnte.
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