Witten. Angesichts proppenvoller Salons vorm Fest vermutet man es kaum: Aber zahlreiche Friseurbetriebe geraten in Schieflage. Das sind die Gründe.
- Friseurin eröffnet neuen Salon in der Stadtgalerie
- Frisör Klier zieht es vom Stadtteil in die Innenstadt
- Als der Friseur in Witten den Kunden noch die Zähne zog
In diesen Tagen vor dem Fest haben die Friseursalons alle Hände voll zu tun, mitunter bekommen Kunden kaum noch einen Termin. Doch ganz anders verhielt es sich in vielen Betrieben während der Monate davor. Die Nachfrage hat seit geraumer Zeit nachgelassen, berichten die Betreiber, zugleich sind die Kosten erheblich gestiegen. Die Schere von Einnahmen und Ausgaben geht immer weiter auseinander.
Betriebe plagen Nachwuchssorgen
Im gesamten EN-Kreis gibt es rund 230 Friseurbetriebe, davon etwa 60 in Witten. Ein großer der Teil der Salons hat Nachwuchssorgen. Wie in vielen anderen Handwerksberufen auch „finden wir kaum noch junge Menschen, die eine Ausbildung beginnen wollen“, sagt Innungsobermeister Edgar Pferner,
In diesem Jahr sind die Tariflöhne erhöht worden, betont der Friseurmeister. Im ersten Ausbildungsjahr erhält ein Azubi 665 Euro pro Monat, im zweiten Jahr 785 Euro und im dritten Jahr 900 Euro.
„Wir merken, dass die Leute die Zahl ihrer Friseurbesuche verringert haben“, sagt Edgar Pferner. Der 69-Jährige betreibt einen Salon an der Augustastraße und ist zugleich Obermeister der Innung für Bochum. Die Gründe liegen für ihn klar auf der Hand: „Viele Menschen haben weniger Geld im Portemonnaie, der Lebensunterhalt ist deutlich teurer geworden.“ Da könne er durchaus verstehen, dass die Leute den Euro zwei Mal herumdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Und während Corona, meint er mit einem Augenzwinkern, habe man doch gelernt, auf den einen oder anderen Haarschnitt verzichten zu können.
Höhere Lohnkosten treffen das Friseur-Handwerk besonders hart
Hätten zu anderen Zeiten die Betriebe den Rückgang vielleicht noch ganz gut wegstecken können, hat sich die Lage aber inzwischen drastisch verändert. Die Salons haben es nämlich mit deutlich höheren Ausgaben zu tun, wie Andreas Rüggeberg, Amtskollege von Pferner, für den EN-Kreis vorrechnet. Während nahezu alle Wirtschaftsbranchen gegen höhere Belastungen ankämpfen, trifft es nach Aussagen von Rüggeberg das Friseurhandwerk besonders hart. Die Tarife für die Beschäftigten „sind im Schnitt um 21 Prozent angehoben worden, ausgelöst durch das deutliche Plus beim Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde“.
+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++
Hinzu kommen die höheren Ausgaben für Energie, ergänzt Friseurmeister Sebastian Falkewitz. Deren Anteil an den Gesamtkosten habe sich deutlich erhöht, erläutert der 47-Jährige. Darüber hinaus erinnert er daran, wie stark die Friseurbetriebe bereits unter den Folgen von Corona gelitten haben. Während der Lockdowns mussten die Geschäfte wochenlang geschlossen bleiben. Aber auch als die Läden wieder geöffnet waren, bleiben Kunden aus, weil noch immer viele Feiern und auch weitere Veranstaltungen ausfielen. Wozu brauchte man eine neue Frisur? Die Auflagen für den Infektionsschutz, an die sich die Salons halten mussten, schränkten zudem die Arbeit kräftig ein.
+++ Familien-Newsletter: Keine Freizeittipps mehr verpassen! +++
Seinerzeit hatte sich Falkewitz in einem langen Brief an den Bundestagsabgeordneten Axel Echeverria seinem Unmut Luft verschafft und auch in einem persönlichen Gespräch von den Sorgen der Branche gesprochen. Mit dem Sozialdemokraten hält er weiterhin im engen Kontakt. Zahlreiche Betriebe stehen nämlich auch jetzt noch unter einem enormen Druck, betont der Wittener.
+++Folgen Sie jetzt auch dem Instagram-Account der WAZ Witten+++
Massiv erhöhte Preise verschrecken Kunden
Da sehen sich manche Friseure regelrecht zu Preissteigerungen gezwungen, und zwar über das normale Maß hinaus. Wenn plötzlich zehn Prozent oder auch noch mehr draufgeschlagen werden, „kann es natürlich zu Folge haben, dass die Zahl der Kunden zurückgeht“, meint Andreas Rüggeberg. Der gewünschte Effekt, die Finanzlücke zu stopfen, habe sich dann erledigt. Friseurmeister Wilfried Soldierer wiederum erhöht wenn dann moderat, um drei bis fünf Prozent. „Die Kunden wissen aber, dass sie für Qualität zahlen und unsere Beschäftigten Löhne über Tarif bekommen.“
Mit dem Ende der Corona-Einschränkungen hoffte Barbara Maaßen vom Salon Stein, dass die Talsohle durchschritten ist. „Schlimmer als während der Pandemie kann es eigentlich nicht sein.“ Auch wenn sie an der Aussage grundsätzlich nicht rütteln will, machen auch ihr die aktuellen Belastungen zu schaffen. Neben der Energie- und Personalkosten schlagen auch „eben auch die Ausgaben für das Material zu Buche“. Ob Shampoo, Kosmetik oder technisches Gerät: Nahezu alle Artikel sind teurer geworden.