Witten. Bauchemiehersteller will bis 2035 in Witten klimaneutral produzieren. Bereits jetzt nutzt Ardex Photovoltaik und Geothermie. Und plant Weiteres.
Wittens größtes Unternehmen, der Bauchemiehersteller Ardex hat 2022 mehr Umsatz denn je gemacht. „Wir sind über die Milliardengrenze gesprungen“, sagt der Geschäftsführer des Familienunternehmens, CEO Mark Eslamlooy. Angesichts dieses Erfolges möchte Ardex in Nachhaltigkeit investieren. Sichtbar ist dies bereits am Produktionsstandort an der Frierdrich-Ebert-Straße in Annen.
In seinem Nachhaltigkeitsbericht hat sich das Unternehmen stramme Ziele gesetzt: Bis 2045 soll der CO2-Ausstoß des Familienunternehmens weltweit auf Netto-Null heruntergefahren werden – bei der eigenen Produktion ebenso wie in der kompletten Lieferkette. Die Ziele für den Standort Deutschland sind noch ehrgeiziger: Bereits bis 2035 sollen die Geschäftsprozesse hier weitestgehend CO2-neutral sein. „Auch wenn das für einen Bauchemiehersteller alles andere als einfach ist“, sagt Eslamlooy.
Solaranlage ist bald 5000 Quadratmeter groß
Ardex in Witten hat im Vergleich zu 2019 seine CO2-Emissionen bereits um 45% verringert – vor allem durch die Umstellung auf Ökostrom und Ökogas. Seit einigen Jahren wird außerdem Geothermie zur Stromerzeugung genutzt. Auch der Fuhrpark wird bis 2030 ohne fossiler Brennstoffe unterwegs sein, verspricht das Unternehmen.
Bereits 2022 ist eine 3.200 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen worden. Sie befindet sich auf den Dächern des 2020 neu eröffneten Logistikzentrums mit Hochregallager, Warenausgang und angrenzendem Gebäude sowie dem Werk 1. Drei Millionen Euro seien dafür investiert worden. Die Anlage deckt bis zu 15% des Strombedarfs in Witten. Eine weitere Anlage auf 1.700 Quadratmeter steht kurz vor der Fertigstellung. Sie befindet sich auf Werk 2 – also von Annen kommend hinter dem Kreisverkehr.
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„Wir rechnen nach der Inbetriebnahme mit mehr als 800.000 kWh Ertrag pro Jahr, was ungefähr dem Verbrauch von 230 Haushalten entspricht“, sagt Mark Eslamlooy. Ardex habe früh erkannt, wie wichtig die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Ausbau erneuerbarer Energien ist. „Deshalb werden Photovoltaikanlagen bei vielen Neubauten weltweit direkt mit eingeplant.“
Klimaschutz ist zwar gut fürs Gewissen, aber offenbar sieht das Unternehmen in dem Thema auch wirtschaftliches Potenzial. „In der Baubranche ist Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden, der Ruf nach umweltfreundlichen und schadstoffarmen Werkstoffen wird lauter“, sagt Julia Soldat, die auch den Nachhaltigkeitsbericht verantwortet. Großes Thema ist darum die Entwicklung nachhaltiger Produkte. Bereits jetzt lässt Ardex seine Produkte - etwa Spachtelmasse, Fliesenkleber oder Fugenmörtel - wichtige Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dazu gehören zum Beispiel der Anteil nachwachsender Rohstoffe, der CO2-Ausstoß bei der Produktion und die Schadstoffemission nach der Verarbeitung. Technische Kriterien – etwa wie ergiebig das Produkt ist – spielen ebenfalls eine Rolle.
Verpackungen sollen kunststoffrei werden
Renaturierung des Steinbachs
Bei seiner Erweiterung des Firmengeländes hat Ardex auf die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung umgestellt – durch Abkopplung von 28.400 Quadratmetern Hallendachfläche von der Mischkanalisation. Dafür wurde die Dachentwässerung umgebaut und ein neuer Regenrückhaltekanal unter der Hallenumfahrt angelegt. Das bedeutet: Niederschlagswasser fließt jetzt nicht mehr durchs Fallrohr in die Kanalisation und von dort zusammen mit Schmutzwasser in die Kläranlage, wo es aufwendig gereinigt werden muss. Stattdessen gelangt es von den Dachflächen in den Regenrückhaltekanal. Dort wird es gedrosselt in den nahe gelegenen, unterirdischen Steinbach eingeleitet und stärkt so das Gewässer.
Die Emschergenossenschaft hat die Maßnahme mit rund 400.000 Euro aus dem Förderprogramm „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ gefördert. Die Stadt Witten hat als Teil der Zukunftsinitiative Klimawerk das Projekt mit auf den Weg gebracht.
Allein die Baustoffproduktion hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, mit einem hohen Verbrauch von Wasser, Boden oder Rohstoffen. „Noch nutzt Ardex emissionsintensive Rohstoffe wie zum Beispiel Zement. Diese werden wir schrittweise soweit wie möglich ersetzen“, verspricht Soldat. Die hauseigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung prüfe zurzeit, ob es geeignete biobasierte und nachwachsende Rohstoffe gibt. Zudem soll der Kunststoffanteil in den Verpackungen verringert werden. Auch die Lieferanten - meist kommen sie aus der Region - müssten hohe Anforderungen erfüllen. Sie liefern die mineralischen und chemischen Rohstoffe, etwa Sand, Gips oder Kalk.
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