Witten. Heike Fischer hat die zerstörten Gips-Skulpturen auf dem Rheinischen Esel in Witten gefertigt. Eigentlich ist die Künstlerin Tier-Präparatorin.
Vandalismus hat eine Künstlerin aus Witten schlagartig bekannt gemacht: Kaum zwei Wochen, nachdem Heike Fischer ihre lebensgroßen Esel aus Polymergips am Radweg Rheinischer Esel aufgestellt hatte, hat ein Unbekannter die Tiere geköpft. Zurzeit repariert die 59-Jährige die Skulpturen in ihrem Atelier in der Innenstadt. Wer sie dort besucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Denn Heike Fischer ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Tierpräparatorin im Naturmuseum Dortmund.
Beide Gewerke sind etwas Besonderes und greifen ineinander. Als städtische Angestellte föhnt Heike Fischer ein Helmperlhuhn oder dreht ein Erdmännchen auf links. Sie modelliert Nachbauten exotischer Pflanzen, in denen die Tiere dann präsentiert werden. Keines der Tiere ist dabei zu Ausstellungszwecken getötet worden, stellt die Präparatorin klar. Es sind sowieso verstorbene Wesen, die „aufbereitet“ werden.
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Heike Fischer ist selbst Vegetarierin und große Tierfreundin, sie lernte erst Tierarzthelferin, machte in Bochum eine Ausbildung zur Präparatorin, volontierte im Naturkundemuseum Münster, um seit 1992 in Dortmund zu arbeiten. „Mir ist ein lebendes Tier viel lieber. Aber ich habe keine Berührungsängste bei einem toten Tier, ihm kann ich nicht mehr weh tun“, sagt sie und schildert professionell, wie zum Beispiel eine Taube ausgenommen wird, mit Holzwolle gefüllt, Drähte in die Flügel und Glasaugen bekommt. Wenn man das fertige Präparat anschließend sieht, muss man zugeben: Das tote Tier ist zu einem Botschafter für die Lebenden geworden.
Provokantes „Schweinemenschlein“
Um Tiere dreht sich auch Fischers Kunst. „Ich möchte bewusst auf die Schönheit und Faszination der Tierwelt aufmerksam machen“, sagt sie. Im Gegensatz zu den Präparaten aber regen ihre weiß getünchten Gips-Tiere zum Nachdenken an. „Wir mischen uns in die Gesetze der Natur ein, ohne an Konsequenzen zu denken“, sagt Fischer. Sie kritisiert, dass immer mehr Menschen den Bezug zur Natur verloren hätten.
Ihre Werke sind provokant. Das „Schweinemenschlein“ sieht tatsächlich aus wie eine Mischung aus Ferkel und Baby, es liegt eingekuschelt in einer Wolldecke auf einer rustikalen Schlachtemolle. Der Körper scheint lebensecht, aber es ist Silikon. So viele Farbschichten sind unter diese künstliche Haut gelegt, dass man sogar meint, Adern durchschimmern zu sehen.
Erst seit 2021 für „zweites Berufsleben“ entschieden
In anderen Werken schieben sich Tierköpfe durch Leinwände, etwa ein täuschend echt wirkender Pferde- oder Vogelkopf. Es gibt flauschige Küken mit Menschenköpfchen in einem Eierkarton. Zweideutig kommt auch ein witzig guckender Rehkopf daher. Ähnlich wie eine Jagdtrophäe hängt er an der Wohnzimmerwand, wirkt aber durch das weiße Polymergips verfremdet. Natürlich stammt der Gipsabzug nicht von einem echten Reh. Die Natur dient als Vorbild für ein selbstmodelliertes Werkstück.
„Ich habe schon als Kind künstlerisch gearbeitet. Und irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich eigentlich als Künstlerin leben möchte“, beschreibt Fischer ihren Werdegang. Erst während der Corona-Lockdowns fand sie Zeit für Kreativität. Sie konnte als Talent 2022 auf der Contemporary-Art-Messe in Essen ausstellen, wurde Mitglied im Wittener Künstlerbund. Erst seit 2021 ist sie mehr als nur Hobby-Künstlerin, hat ihre Arbeitszeit reduziert. „Und ich habe das Gefühl, gerade entwickelt sich ganz viel.“
Atelier in ehemaliger Polsterei
In Heike Fischers Atelier in einer ehemaligen Polsterei an der Brüderstraße mischen sich Arbeit und Privates. Im ganzen Haus verteilt stehen Kunstwerke oder Materialien. Im Erdgeschoss gibt es eine Werkstatt, in der Fischer des Öfteren ihre Bohrmaschine samt Rühraufsatz in Gang setzt. Dort entdecken wir auch das Tonmodell des Radweg-Esels. Was passiert nun mit ihm?
Heike Fischer war schon fleißig, hat beide Skulpturen gegen einen erneuten Vandalen-Angriff verstärkt. Der eine Esel wird bald wieder seinen Kopf bekommen, noch steht er in Annen mit blauer Folie umwickelt herum. Bei dem zweiten Esel will Fischer als Erinnerung an die Untat den Kopf nur neben den Rumpf legen. Oder besser: Das Haupt fest mit dem unterirdischen Betonfundament verschrauben.
Kontakt: atelier@heikefischer.net oder über Instagram @atelierheikefischer. Nächste Ausstellung ist in der Galerie des Wittener Künstlerbunds in der Stadtgalerie, ab 9. Dezember.