Nach der offiziellen Eröffnung in Essen am vorletzten Wochenende folgte am Sonntag der nächste Höhepunkt in Sachen Kulturhauptstadt: die Welt-Uraufführung des Pop-Oratoriums "Die 10 Gebote" in der Dortmunder Westfalenhalle.
Eine Stunde vor Beginn der ausverkauften Veranstaltung drängten sich die Menschen vor dem Eingang. 9000 wollten das Spektakel sehen, das die Evangelische Kirche von Westfalen und die Creative Kirche Hattingen-Witten für Ruhr 2010 auf die Beine gestellt haben. Und für knapp anderthalb Stunden verwandelte sich die Westfalenhalle in ein riesiges Gotteshaus, in dem die Geschichte unserer Kultur und des christlichen Glaubens mal ganz anders auf die Bühne kam – nicht ernst und staubtrocken, sondern als unterhaltsames Musical.
Der Star des Abends, keine Frage, das war der gewaltige Chor: 2555 Sängerinnen und Sänger füllten die Ränge hinter der Bühne, machten vor Konzertbeginn die Welle und (fast) alle in der Halle machten mit. Ganz in Weiß gekleidet waren die Mitglieder aus 90 Chören. „Nein, wir sind nicht der deutsche Ärztekongress. Auch nicht die Bäckerinnung NRW”, flachste Martin Bartelworth, Leiter der Creativen Kirche, bei seiner Begrüßung.
Dann senkte sich Dunkelheit über den Saal, das Junge Orchester NRW spielte die ersten Töne und die Geschichte aus dem Alten Testament nahm ihren Lauf. Musste man bibelfest sein, um Gefallen daran zu finden? Es wäre von Vorteil gewesen, allein, um die Texte besser verstehen zu können. „Wenn ich nervös bin, dann wegen der Technik”, hatte Musikproduzent Dieter Falk, der das Werk komponierte, bei den Proben gesagt. Und da stellte die Westfallenhalle in der Tat eine Herausforderung dar. Einige Rückkoppelungen schmerzten im Ohr. Gut war die Idee, die Liedzeilen auf zwei kleine Leinwände zu übertragen. Doch ob dies willkürlich geschah? „Wo ist der Text?”, raunte jedenfalls die Frau hinter mir mehrmals verzweifelt.
Aber im Grunde waren die Texte, für die Grammy- und Echo-Gewinner Michael Kunze in der Bibel tiefgeschürft und die er sprachlich aufgepeppt hatte, beinahe Nebensache. Nachdem Moses (Michael Eisenburger) und Zipporah (Bahar Kizil) sich gefunden hatten, folgten bekannte Episoden: die Berufung des Mose am brennenden Dornbusch, die Plagen, der Auszug Israels aus Ägypten, das geteilte Meer, der sehr ausgelassene Tanz um das goldene Kalb (Moses: „Was geht denn hier ab?”) und der Empfang der zehn Gebote am Berg Sinai. Zwei kindliche Erzähler – Produzentensohn Paul Falk und Supertalent-Finalistin Yosefin Buohler – trugen die Handlung voran.
Mal fetzig, mal ruhig, meist ziemlich eingängig, so kamen die 19 Pop-Songs – denn das waren die Lieder letztlich – rüber. Die Diva gab dabei Stefan Polslovski als stimmgewaltiger Pharao im Leopardenfellanzug. „It's hard to be a God”, prangte auf seinem T-Shirt. Originell: Der Chor hielt für die Palast-Kulisse goldene Folien in die Höhe.
Monrose-Sängerin Bahar Kazil machte ihre Sache als Moses' Frau gut. Ebenso der Rest des Solo-Ensembles, zu dem auch der Wittener Musical- und Gospelsänger David Thomas gehörte. Doch ab und an ein Gänsehaut-Gefühl, das brachten nur Chor und Orchester zustande.
„Wir wollen ein Statement setzen, um die Kirche zu entmuffen”, hatte Dieter Falk zuvor gesagt. Ein älteres Ehepaar („wir sind zusammen 145”) bestätigte, selbst ganz begeistert, nach der Aufführung: „Mit Bach können Sie 25-Jährige heute nicht mehr in die Kirche kriegen.” Das Konzept scheint funktioniert zu haben.
Beim grandiosen Finale jedenfalls riss es die Menschen von den Stühlen. Das Publikum, bunt gemischt von Jung bis Alt, schwenkte Leuchtstäbe wie bei einem Pop-Konzert. Und so mancher sang mit beseeltem Blick den Refrain: „Liebe ist das Gebot und was ihr auch tut, alles wird gut.”