Schwelm. Der Ärger, dass die Politik des Kreistags die Finanzmittel für das Frauenhaus kürzt, ist groß. So rechtfertigen zwei Politikerinnen den Sparkurs.
Barbara Lützenbürger (SPD) und Karen Haltaufderheide-Uebelgünn (Grüne) sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, weil sie in öffentlicher Kreistagssitzung für ihre Fraktionen dafür argumentierten, dass es richtig sei, dem Frauenhaus des Ennepe-Ruhr-Kreises die finanzielle Unterstützung zu kürzen. Das Thema, dass an vorderster Front die Vorsitzende des Sozialausschusses, Barbara Lützenbürger, und die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Karen Haltaufderheide-Uebelgünn, für die Senkung der Mittel votiert hatten, schlug nach der Berichterstattung dieser Zeitung hohe Wellen.
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Schriftlich beziehen sie Stellung zu den Vorgängen und erklären sich zudem zu den weitergehenden Fragen der Redaktion. „Vorweg stellen wir für uns persönlich und für unsere Fraktionen klar: Wir stehen hinter dem Frauenhaus EN und wollen gemeinsam mit dem Trägerverein an einer zukunftsorientierten Entwicklung arbeiten. Eine auskömmliche und dauerhafte Finanzierung des Frauenhauses bleibt für uns wichtig. Die Berichterstattung zur Frauenhausfinanzierung vermittelt einen falschen Eindruck, indem Fakten weggelassen und falsche Bezüge hergestellt werden. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass das Frauenhaus mehr Geld bekommt als vorher. Das ist einfach nachvollziehbar dadurch, dass der Tagessatz um 11,93 Euro steigt. Damit wird auch ein Defizit aus Vorjahren ausgeglichen. Wir haben im Kreistag deutlich kritisiert, dass dieser Ausgleich längst hätte stattfinden müssen. Künftig werden – wie eigentlich ohnehin vorgesehen – die Kosten jährlich überprüft. Defizite werden dann kurzfristig in die Rechnung mit aufgenommen und ausgeglichen“, schreiben sie.
Richtig ist aber auch: Die steigenden Tagessätze gleichen ausschließlich das Defizit der vergangenen Jahre aus, die die Kreisverwaltung bislang nicht angegangen war. Ab dem laufen den Jahr sinken die Zuwendungen für den laufenden Betrieb des Frauenhauses, weil der Kreis sowohl bei den Sachkosten als auch beim Personal seine Zahlungen zurückschraubt.
Dazu heißt es in der Stellungnahme: „Die skandalheischende Überschrift des Artikels bezieht sich darauf, dass der Kreis bisher als freiwillige Leistung finanzierte Personalaufwendungen angesichts der erhöhten Kostenbeteiligung des Landes kürzt. Das Frauenhaus bekommt dann aber immer noch 17 Personalstunden mehr als vorher finanziert. Der Umlagehaushalt des Kreises belastet die kreisangehörigen Kommunen. Es war für uns daher eine sehr schmerzhafte, aber in der gegenwärtigen Situation notwendige Abwägung, auch an dieser Stelle die Belastung der Kommunen im Blick zu behalten. Es soll hier auch nur knapp darauf verwiesen werden, dass die im Artikel von Herrn Scherer angegebene Errechnung von Mehrkosten für das Frauenhaus in Höhe von 96 000 Euro schlichtweg falsch ist.“ Die richtigen Zahlen listen Karen Haltaufderheide-Uebelgünn und Barbara Lützenbürger jedoch nicht auf.
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Sie fahren statt dessen fort mit: „Deutlich kritisiert haben wir, dass erstmals eine Deckelung der Sachkosten vorgenommen wird, die zudem auch für die Politik nicht vollständig plausibel ist. Im Kreisausschuss haben wir eine Sitzungsunterbrechung erwirkt, damit Frau Schmalfuß vom Frauenhaus die Problematik dieses Vorgehens aus ihrer Sicht erläutern konnte. Das ist leider nicht überzeugend gelungen. Auch deshalb haben wir mit dem Beschluss zur Erhöhung des Tagessatzes festgehalten, dass für künftige Abrechnungen die Aufwendungen für Sachkosten genauer festgehalten und erläutert werden sollen. Daraus werden sich sichtbare Notwendigkeiten ergeben, die dann in die Abrechnung einfließen können. Wir bitten im Interesse des Frauenhauses und einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Frauenhaus, Politik und Kreisverwaltung dringend darum, die Interessen in Not geratener Frauen nicht weiter zum Objekt politischer oder journalistischer Ränkespiele zu machen.“
Weil diese Ausführungen an diversen Stellen Fragen aufwerfen, hat die Redaktion den beiden Politikerinnen genau diese gestellt und schriftlich Antwort erhalten.
1. Wenn die 96.000 Euro falsch sind, welche Summe ist denn korrekt? Und an welcher Stelle dieser maximalen Zusatzsumme hat die Redaktion falsch gerechnet?
„In Ihrer Darstellung werden potentielle Einnahmen des Trägers mit Aufwendungen gleichgesetzt. Das ist nicht nur buchhalterisch problematisch. Tatsächlich ist der Tagessatz (Einnahmen) auf Basis einer 90-prozentigen Auslastung berechnet. Wenn das Haus zu 90 Prozent ausgelastet ist, sollten die Aufwendungen vollständig gedeckt sein. Das ergäbe bei einer 100-prozentigen Auslastung, die es nie geben kann, zusätzliche Einnahmen von 50.716,75 Euro. Die müssten Sie von den genannten 96.451,25 Euro abziehen. Das ergäbe dann bei 100-prozentiger Auslastung Mindereinnahmen gegenüber dem Ansatz des Trägers von 45.734,50 Euro. Maßstab der Bewertung sollte aber nicht dies sein, sondern die Differenz zwischen dem bisherigen und dem neuen Tagessatz. Diese beträgt 11,93 Euro. Bei dem fiktiven Beispiel 100-prozentiger Auslastung sind das 108.861,25 Euro mehr als vorher. Wie hoch die Aufwendungen tatsächlich sind, wird sich bei der nächsten Abrechnung zeigen, die unbedingt in 2024 stattfinden muss. Defizite werden dann ausgeglichen.“
2. Was meinen Sie ganz konkret mit der Aussage, wir würden als Zeitung „politische und journalistische Ränkespiele“ betreiben?
„Dieser Satz bezieht sich nicht nur auf Ihre Zeitung. Mit diesem Artikel wurde eine öffentliche Debatte losgetreten, die Beteiligte, die für den Schutz in Not geratener Frauen zusammenarbeiten müssen, gegeneinander ausspielt. Dafür ist das Thema viel zu wichtig. Wir wollen und müssen ein neues und besseres Frauenhaus im Ennepe-Ruhr-Kreis aufbauen. Das geht nur gemeinsam.“
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3. Wie stehen Sie zu dem kurzfristigen Vorgehen der Verwaltung? Und warum haben Sie das auf diese Art und Weise unkommentiert laufen lassen?
„Die späte und zunächst unvollständige Information der Politik haben wir sehr deutlich kritisiert. Das gilt für beide Seiten. Wir haben unsere Zustimmung davon abhängig gemacht, dass die nächste Abrechnung frühzeitiger und transparenter der Politik vorgestellt wird. Damit verknüpfen wir die Erwartung, dass Notwendigkeiten klarer herausgestellt werden können. Das ist diesmal auch von Seiten des Trägers nicht gelungen.“
4. Wieso war es nicht möglich von politischer Seite aus, die augenscheinlich willkürlich gekürzten Sachkosten und die ebenfalls gekürzten Personalzuschüsse getrennt voneinander zu betrachten und abzustimmen?
„Wir haben die Art und Weise, wie die Sachkosten gedeckelt werden, sehr deutlich kritisiert. Man kann nur schwer einerseits das Prinzip verfolgen, Defizite bei der endgültigen Abrechnung auszugleichen und gleichzeitig vorschreiben, dass sie in bestimmten Bereichen nicht entstehen dürfen. Wie gesagt, unsere Zustimmung haben wir davon abhängig gemacht, dass die nächste Abrechnung auf soliderer Grundlage vorgenommen wird. Jetzt haben wir zugestimmt, damit nicht noch mehr Zeit vergeht, bevor das Frauenhaus mehr Geld bekommt.“
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5. Sie schreiben, das Frauenhaus bekäme durch höhere Zuschüsse mehr Geld. So wie sich die Sache der Redaktion darstellt, werden hier die Defizite aus der Vergangenheit ausgeglichen, die mit dem Argument der Pandemie verwaltungsseitig aufgelaufen und nie betrachtet worden sind. An Personal- und Sachkosten für den laufenden Betrieb sinken die Zuschüsse. Ist das korrekt?
„Wir müssen die Gesamtfinanzierung des Frauenhauses betrachten Das Frauenhaus wird nicht nur über den Kreis finanziert, sondern auch über das Land. Das Land hat seinen Anteil erhöht. Daraufhin hat der Kreis einen Teil seines seit vielen Jahren auf freiwilliger Basis gezahlten Zuschusses zu den Personalkosten gekürzt. Das Frauenhaus hat nicht eine ganze Stelle, sondern 0,42 Vollzeitäquivalente und somit 17 Stunden mehr.“
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