Witten. Susanne Herder ist mit ihrem traditionsreichen Geschäft „Heinrich und Johanne“ von Annen in die Wittener City gezogen. Ein gewagter Schritt.
Ihre Urgroßeltern wären sicher stolz, wenn sie das wüssten. Susanne Herder führt die Familientradition nicht nur weiter. Sie hat ihr Blumengeschäft auch nach den beiden benannt. Nun ist sie mit „Heinrich und Johanne“ von der Annenstraße ins Wittener Wiesenviertel gezogen. Gerade war Eröffnung. Bunte Luftballons hängen noch an der Tür.
Die Hammerstraße gleich hinter der Stadtgalerie hat also Zuwachs bekommen: Rechts der Hutladen, links das ebenfalls gerade neu eröffnete „Schall und Rausch“ mit seinem ungewöhnlichen Mix aus Vinyl-Schallplatten und guten Tropfen (Wein). Mittendrin gibt’s jetzt Rosen, Tulpen, Nelken. Aber auch Vasen, Kerzenleuchter, Gartenhandschuhe, englische Handcreme, Wäschespray sowie bald auch fair gehandelte Schokolade. „Blumen und Schönes“ verspricht das Schild überm Schaufenster.
Kundschaft im Wittener Laden erwartet üppige Pracht
Dahinter erwartet die Kundschaft eine üppige Pracht. Kronleuchter hängen von der Decke. Schwarz glänzende Fliesen zieren einen Teil der Wand. Davor, auf Mamas altem Küchentresen, präsentiert Susanne Herder ihre Hauptdarstellerinnen. Die müssen sich schon anstrengen, um dem Rest der Einrichtung die Show zu stehlen. Sämtliche Pflanzen und Deko-Artikel haben ihren Platz in alten Holzvitrinen oder upgecycelten Regalen. Den Laden teilt ein breiter Durchgang. Den schmücken schwere Vorhänge, die mal in Susanne Herders Wohnung in England hingen.
Die 53-Jährige bezeichnet sich selbst als „Brexit-Flüchtling“. Bevor sie 2016 zurückkehrte, hat sie über 20 Jahre auf der Insel gelebt, hat dort Kunstgeschichte und Philosophie studiert, in Londoner Galerien gearbeitet. „Doch plötzlich kam mein grünes Blut wieder durch“, sagt sie schmunzelnd. Schon als Kind waren Blumen nicht aus ihrem Leben wegzudenken. Noch in England belegte sie kurzerhand Kurse an der „Covent Garden Academy of Flowers“.
Urgroßeltern eröffneten 1930 eine Gärtnerei in Witten
„Uropa Heinrich war ein begnadeter Gärtner und unendlich kreativer Florist“, erzählt Susanne Herder. Ihre Urgroßeltern Heinrich und Johanne Ronsiek eröffneten 1930 eine Gärtnerei an der Rheinischen Straße in Witten. Auf dem Gelände befindet sich heute die Lebenshilfe. „Uroma Johanne – und später dann meine Oma Grete – hatte lange Jahre den Blumenladen gegenüber vom Diakonissenhaus an der Pferdebachstraße.“ Einer Tante gehörte ebenfalls ein Geschäft an der Rheinischen Straße. Das stand eine Weile leer, bevor Susanne Herder es schließlich übernahm.
„Aber dort lief es gar nicht“, sagt sie. Nach einem Jahr zog die Wittenerin an die Annenstraße, wo sie über fünf Jahre blieb. „Es war eine schöne Gemeinschaft mit den anderen Geschäften. Aber Annen ist eingeschlafen, seit der Real nicht mehr da ist.“ Außerdem sei das Haus verkauft worden, in dem sich ihr Laden befand. Zeit für einen Ortswechsel, entschied Susanne Herder.
Sie habe sich sofort in die Räume in dem alten Haus an der Hammerstraße 3 verliebt. Von der guten Lage mal ganz abgesehen. Die Miete sei für einen Blumenladen erschwinglich. Vorher wurde auf den 68 Quadratmetern ein Jahr lang Baklava gebacken, davor im „Haarsträubend“ frisiert.
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Nun verkauft Herder dort zum Beispiel fair gehandelte Rosen. Schnittblumen bekommt sie geliefert. Ein Stiel kostet im Schnitt 1,50 Euro, die Königin der Blumen natürlich mehr. Topfpflanzen holt sie selbst aus Holland. Im Schaufenster steht eine riesige weiße Orchidee – mit 75 Euro ihr kostbarstes Stück.
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Alles sei im Einkauf „unglaublich teuer“. Eigentlich, sagt die Wittenerin, lohne sich das Geschäft gar nicht mehr. Weshalb sie ihren Neustart augenzwinkernd als „ein bisschen verrückt“ bezeichnet. Aber gegen die Gene könne sie halt nichts ausrichten. Nur so der Vollständigkeit halber: Ihr Onkel Werner hat den ersten Blumenladen am Boni eröffnet, ihr Cousin Thorsten Ronsiek führt den Gartenbaubetrieb am Hauptfriedhof.
Gerade betritt eine Kundin den Laden. Karin Streich ist neugierig – und begeistert: „So etwas hat hier noch gefehlt. Das Wiesenviertel wird immer schöner.“