Witten. Der KGV Ruhrblick in Witten feiert Geburtstag. Starre Regeln sind hier Schnee von gestern, naturnah ist in und die eigene Parzelle beinahe Kult.
Das Plakat mit der Einladung zum 50. Geburtstag hängt längst über dem Eingang. Dahinter erstreckt sich – zwischen Fluss und Autobahn – ein Paradies: der Wittener Kleingartenverein Ruhrblick, der am Samstag (5.8.) sein Jubiläum mit einem großen Sommerfest feiert. In den 88 Parzellen grünt und blüht es üppig. Eine davon beackern die Wypichs. Die junge Familie „schrebert“ mit Begeisterung.
Seit fünf Jahren haben Karin (36) und Dennis (33) Wypich ein Gärtchen in der Hevener Anlage gepachtet. Sie konnten gar nicht anders, denn seine Eltern sowie einige Onkel und Tanten sind ebenfalls Vereinsmitglieder mit Leib und Seele. Für Dennis Wypich war immer klar: „Da will ich auch mal meine eigene Scholle haben.“
Wittener Kleingärtner: Tomaten und Gurken sind ein Muss
Darauf wächst inzwischen alles, was man sich so vorstellen kann: Tomaten und Gurken sowieso – ein Muss für jeden Kleingärtner, wie später im Gespräch mit den älteren Semestern zu hören sein wird. Außerdem Kartoffeln, Zwiebeln, Kohlrabi und Zucchini. Neu sind die Auberginen: „Die sehen auch schon gut aus“, freut sich Karin Wypich.
Einladung zum Sommerfest
Der KGV Ruhrblick feiert sein 50-jähriges Bestehen am Samstag, 5. August, ab 14 Uhr mit einem Sommerfest auf dem Gelände an der Hevener Straße 30. Auch Nicht-Mitglieder sind herzlich eingeladen, vorbeizuschauen. Es gibt Gegrilltes sowie Kaffee und Kuchen, außerdem eine Hüpfburg, viele Spiele, eine Tombola und Musik.
Außer dem Ruhrblick gibt es in Witten noch fünf Kleingartenvereine: Sonnenschein, Gemeinwohl, Annen-Süd, Stockum und Mellmausland.
Es ist jedoch nicht nur die Ernte der selbst angepflanzten Sorten, die sie so lieben – weil alle Sachen einfach besser schmecken als aus dem Laden, wie die Kleingärtner einmütig versichern. „Wir wollen, dass die Kinder im Grünen aufwachsen, Kontakt mit Tieren und Pflanzen haben“, sagt Mama Karin, den sechs Monate alten Matteo auf dem Arm. Töchterchen Laura, die schon vier Jahre alt ist, mag jedenfalls alles, was da in den Beeten und auf der Wiese krabbelt: von Kellerasseln über Ameisen bis zu Eidechsen.
Parzelle entwickelt sich zur Ruheoase
Auch der beinahe familiäre Zusammenhalt zwischen älteren und jungen Mitgliedern gefällt Karin Wypich. „Einfach mal auf ein Käffchen vorbeischauen und plaudern“, das habe lange den Charme des Kleingartenvereins ausgemacht. Doch die Gemeinschaft beginnt zu bröckeln, auch ehrenamtlich wolle sich kaum einer mehr einbringen. Zwar seien in der letzten Zeit viele Familien dazugekommen. „Doch oft sind beide Eltern berufstätig und haben nur am Wochenende Zeit“, weiß Karin Wypich. Für viele sei die Parzelle inzwischen vor allem eine Ruheoase.
Auch sie liebt es, in der Hängematte zu liegen und den Kindern beim Spielen zuzuschauen. Doch was viele unterschätzen und deshalb manchmal schon nach kurzer Zeit wieder aufgeben: „So ein Garten macht ordentlich Arbeit“, betonen Vorsitzender Adam Gradek (52) und Stellvertreter Lothar Zander (65). Trotzdem habe nie eine Fläche leergestanden. Immerhin um die zehn Namen finden sich auch jetzt auf der Warteliste des Vereins. Den Leuten soll nur klar sein, was sie erwartet.
Garten diente einst der Selbstversorgung
Die Pacht für eine der etwa 300 m² großen Parzellen ist mit 32 Cent pro Quadratmeter und Jahr nach wie vor günstig. „Das hängt mit dem ursprünglichen Gedanken des Schreberns zusammen – der Selbstversorgung“, sagt Zander. So hätten zunächst auch nur Mitarbeiter des Gussstahlwerks ein Fleckchen Erde im Ruhrblick bekommen. Dieter Zeissler (84) mit Ehefrau Luise (80) und Horst Paschke (86) sind von Anfang an dabei.
Längst haben sich auch die einst sehr starren Regeln gelockert. Die Vorgabe, dass die Fläche zu je einem Drittel aus Grabeland, Wiese und Freisitz bestehen muss, gilt nicht mehr. Nur mindestens zehn Prozent sollen weiterhin dem Anbau von Obst und Gemüse dienen. „Dazu zählen aber auch Apfelbäume und Himbeersträucher, die viel Platz brauchen“, weiß Karin Wypich. Auf Ruhezeiten werde durchaus weiterhin geachtet, nicht jedoch darauf, wie hoch die Hecken sind oder wie lang der Rasen ist.
„Kontrollierter Wildwuchs ist heute angesagt“, so Lothar Zander. Auch Kleingärtner haben sich längst dem Naturschutz und der Nachhaltigkeit verschrieben. Sogar einen Imker gibt’s im Verein, dessen Bienen alles Angepflanzte ausgiebig bestäuben und damit für stetes Wachstum sorgen.
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Das Vereinsheim steht inzwischen auch Außenstehenden zur Miete für eine Feier offen. „Wir können ja nicht nur von den Mitgliedsbeiträgen leben“, sagt Zander. „Wir haben ja Kosten.“ Zum Beispiel die Zahlung der Pacht an die Stadt, der die Fläche gehört. Dass darauf ein Spielplatz fehlt, sei ebenfalls der finanziellen Lage geschuldet. „Da müsste jedes Jahr der TÜV vorbeischauen, weil das hier öffentliches Gelände ist.“
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Doch wer braucht schon Schaukeln und Rutschen, wenn er – wie die Geschwister Matteo und Laura – eine Wiese zum Toben und Sand zum Matschen hat. Für ihre Eltern jedenfalls steht eines fest: „Wir könnten uns nie vorstellen, den Garten abzugeben.“