Witten. Der Eigenanteil für Heimbewohner ist in Bund und Land deutlich gestiegen. Wie sieht es in Wittener Einrichtungen aus? Dazu einige Stichproben.
Der Eigenanteil für die Bewohner von Pflegeheimen ist deutlich gestiegen. Woran liegt’s? Die örtlichen Einrichtungen haben dazu eine klare Meinung und zeigen zugleich die Folgen auf, mit denen die Menschen in ihren Häusern angesichts wachsender finanzieller Last zu kämpfen haben.
Laut dem Verband der Ersatzkassen lag der durchschnittliche Eigenanteil in NRW bei 2801 Euro und damit 261 Euro höher als ein Jahr zuvor. Im Übrigen ist Nordrhein-Westfalen, was den Eigenanteil anbelangt, ein teures Pflaster. Der Bundesschnitt liegt deutlich niedriger und aktuell bei 2548. Heime in Witten, die die Redaktion angefragt hat, wiederum liegen entweder leicht oder auch stärker über dem NRW-Wert.
Heime kämpfen mit zusätzlichen Belastungen
So werden im Altenzentrum St. Josef in Annen inzwischen 2922 Euro fällig (2022: 2628 Euro). Einzelzimmer gibt’s nach wie vor für einen Aufschlag von 34 Euro. Die Anhebung habe vielfältige Gründe, sagt Leiter Michael John. „Wir haben das Personal aufgestockt. Zugleich sind Löhne und Gehälter gestiegen“, so John. „Auch die Lebensmittel schlagen mit einem Plus von 25 Prozent mächtig zu Buche, ebenso höhere Ausgaben für die Pflegeprodukte und die Gebäudereinigung.“
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In den vergangenen Jahren kamen nach Angaben von Jörg Richard, Sprecher der Awo Westliches Westfalen, noch weitere Kosten auf die Heime zu. Genannt werden etwa eine Umlage nach dem Pflegeberufgesetz oder zur Altenpflegeausbildung, Investitionen und explodierende Energiekosten. Entsprechend erhöhte sich der Eigenanteil der Bewohner – im Awo-Seniorenzentrum an der Kreisstraße in Annen von 2960,91 Euro (Juni 2022) auf 3111,48 Euro, in der Egge von 2733,69 auf 2898,92 Euro.
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Einrichtung geht von weiterer Steigerung im August aus
Zuschüsse steigen mit Dauer des Heimaufenthaltes
Der Eigenanteil der Heimbewohner setzt sich aus drei Berechnungsgrößen zusammen: Eigenanteil der Einrichtungen (vornehmlich Personalkosten), Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten.
Den Entlastungszuschuss bekommen Heimbewohner für den Einrichtungsanteil und der steigt von fünf Prozent im ersten Jahr des Aufenthalts auf 70 Prozent ab drei Jahren. Im NRW-Durchschnitt zahlt ein NRW-Heimbewohner dann nicht mehr 2801 Euro, sondern stattdessen 2054 Euro im Monat.
Wenn Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind, zahlt der EN-Kreis die Kosten. Für das laufende Jahr sind dazu laut Sozialdezernentin Astrid Hinterthür 28 Millionen Euro im Kreishaushalt eingeplant, womit die Summe rund 1,3 Millionen Euro höher liegt als 2022.
Die Pflegeberatung des Kreises ist unter den Telefonnummern 02302/581-5075 bis -5079 erreichbar und per Mail unter Senioren@stadt-witten.de
Ähnlich hoch liegt der Anteil im Altenzentrum der Diakonie am Schwesternpark Feierabendhäuser. Für ein Einzelzimmer werden 2806 Euro fällig (Vorjahr: 2675 Euro), für das Doppelzimmer 2763 (Vorjahr: 2641 Euro). In den Häusern der Boecker-Stiftung an der Breite Straße und der Ruhrstraße sind es 2865,85 Euro für ein Einzelzimmer. Damit seien dann aber auch alle entstehenden Kosten abgedeckt, erklärt Einrichtungsleiter Peter Stöppler. Den Besuch beim Friseur oder der Fußpflege müssten die Bewohner allerdings selbst bezahlen.
Welche Leistungen der Eigenanteil von Bewohnern des Hauses Buschey beinhaltet, listet die Ev. Stiftung Volmarstein als Träger auf. Nach Worten von Nicolas Starck, Leiter des Geschäftsbereichs Seniorenhilfe, reicht die Bandbreite von der gesamten Pflege über die soziale Betreuung, die Mahlzeiten und Lebensmittel bis hin zur Zimmerreinigung, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber auch für die Stiftung haben sich Ausgaben auf breiter Front massiv erhöht. Derzeit zahlt ein Heimbewohner noch etwa 3000 Euro pro Monat, Einzelzimmer inklusive. Allerdings „gehen wir von einer Preissteigerung im August aus“, erklärt der Bereichsleiter, nennt aber noch keine konkreten Zahlen.
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Kritik: „Bewohner werden zunehmend in die Sozialhilfe getrieben“
Wenn Starck die Entwicklung bei den Eigenanteilen bewertet, kommt er zu einem zwiegespaltenen Urteil. Für die Träger der Heime sei die Steigerung notwendig, um die höheren Selbstkosten tragen zu können. Ganz anders sehe es für die Seniorinnen und Senioren aus. „Die unbequeme Wahrheit ist, dass ohne deutlichen Anstieg des gesetzlichen Pflegeversicherungssatzes oder durch gezielte Entlastung von Betroffenen viele Heimbewohner zunehmend in die Sozialhilfe getrieben werden.“
Die angedachte Pflegereform des Bundesgesundheitsministers gehe daher in die richtige Richtung, sagt der Buschey-Bereichsleiter. Danach sollen die Entlastungszuschläge ab 2024 steigen. Hierbei handelt es sich um Zuschüsse, die die Pflegekassen seit 2022 zahlen und die mit der Dauer des Heimaufenthaltes ansteigen. Gleichwohl werde die beabsichtigte Neuregelung nach Ansicht der Stiftung noch nicht ausreichen, so Starck.
Dass Menschen im hohen Alter plötzlich auf Sozialhilfe angewiesen sind, sei für Betroffene, die ihr Leben lang gearbeitet haben, „keine gute Erfahrung“, sagt Awo-Sprecher Richard. Das Josefsheim unterstütze eine Initiative der Caritas, dass Pflege kein Luxus werden dürfe und ein neues Finanzierungskonzept erforderlich sei, sagt Leiter Michael John.
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