Witten. Eisverkäufer freuen sich, bei Karotten und Kohlrabi sieht es schon anders aus. Das verlieren die Markthändler in Witten wetterbedingt an Umsatz.
Wäre der Rathausplatz an diesem Dienstagmittag eine Solarfabrik, würde wohl jede Menge Strom produziert. Erbarmungslos knallt die Sonne aufs nackte Pflaster. Die große graue Fläche ist verwaist, nur drumherum stehen ein paar Verkaufsstände – fünf, um genau zu sein. Wochenmarkt in Witten, kein Vergnügen im Hochsommer bei fast 30 Grad. Das Geschäft leidet unter der großen Hitze.
Schon wegen der Ferien kommen weniger Kunden, und die Wärme tut ihr Übriges. Entsprechend sind die Umsätze im Keller, glaubt man den wenigen Händlern, die den hohen Temperaturen noch trotzen. 25 bis 40 Prozent weniger, sagen sie.
Die Auswahl ist ja auch mal wieder überschaubar: Klamotten, dann einmal Taschen, Handyhüllen, Barbies und anderes Plastikspielzeug aus Fernost, gegenüber wie gewohnt Honig, dann noch Eier und Kartoffeln sowie Obst und Gemüse – das war’s an Ständen an diesem 11. Juli.
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Michael (62) wischt sich über die Stirn und schiebt mit der Schaufel die Kartoffeln zusammen, Joshua (19) baut den grün-weißen Sonnenschirm ab, der die Erdbeeren schützen sollte. Immerhin sind davon alle 20 Schalen weggegangen. Aber werden bei diesem Wetter denn überhaupt Kartoffeln gegessen? „Ja, sagt Michael, die Leute machen ja auch Salat.“ Sogar die Eier gehen ganz gut, gerade die großen, weiß Joshua.
Frische Ware hat es ganz schön schwer
Während die Hitze den Erdfrüchten mit der braunen Schale noch wenig anhaben kann, sieht es nebenan am Obst- und Gemüsestand schon anders aus. Nach Geschäftsschluss am Mittag muss mehr verderbliche Ware als sonst weggeworfen werden. Ein Kunde bekommt sogar einen Kopfsalat geschenkt, der schon ein wenig die Blätter hängen lässt. Eine Nacht im Kühlhaus und dann noch ein ganzer Morgen in der Wärme – da hat es Frisches ganz schön schwer. Gerade Himbeeren und Pilze sind empfindlich.
Aber natürlich ist alles noch beste Ware, die sich dem Kunden geschmackvoll wie eh und je präsentiert. „Alles, was erfrischend ist, geht besonders gut“, sagt Rainer (70), der gerade mal aushilft. „Melonen, Tomaten, Pfirsiche, Nektarinen...“ Bei dem Wetter wolle ja gar keiner „große, heiße Gerichte“ machen.
Der Verkaufswagen ist aus Blech und ginge nicht ein leichter Wind, müssten die Händler an diesem Tag wirklich leiden. „Trotzdem drückt die Hitze von oben und auch das Pflaster gibt Wärme ab“, sagt Rainer, der eigentlich Honig verkauft. „Aber es ist Sommer, was soll man machen?“
Kundin Sina (27) und Tobias (31) nehmen was Grünes mit, sie wollen einen großen Salat machen. „Hauptsache, frisch und kalt.“ Lothar Winkler hat Erdbeeren, Aprikosen, Tomaten und eine Schlangengurke in seinem Einkaufswägelchen. Der Markt ist an diesem Mittag wie ausgestorben, was den 78-Jährigen zu einer scherzhaften Bemerkung veranlasst: „Wegen Überfüllung heute geschlossen.“
Wittener Kartoffelhändler: Hitze ist schlimmer als Kälte
Kundin Marianne (83), die ebenfalls Obst und Gemüse kauft, kann es gar nicht warm genug sein. Sie trägt sogar eine helle Jacke. Seit einem doppelten Herzinfarkt vor sieben Jahren friert sie besonders schnell.
Hitze sei aber schlimmer als Kälte, sagen die Markthändler. Im Winter könne man sich ja warm anziehen. Besonders schlecht lief es am letzten Samstag, als es so heiß war, sagt Michael vom Kartoffelstand. „Da war tote Hose.“ Jeder vierte Kunde frage übrigens nach dem holländischen Fischmann, der gerade Ferien macht. Wir lernen: Kibbeling schmeckt offenbar selbst bei 28 Grad im Schatten. Nicht nur an der Nordsee.