Witten. Pfarrer Claus Humbert geht in den Ruhestand. Im Abschieds-Interview blickt er zurück auf 34 Jahre in Witten-Annen, die nicht immer leicht waren.

Die Erlöserkirche in Witten ist bereits geschmückt, auf den Tischen stehen hübsch gebastelte Teelichte. Zum Leuchten bringen sie ein Foto von Pfarrer Claus Humbert, der am Sonntag nach 34 Jahren in Annen in den Ruhestand verabschiedet wird. Im Interview blickt der 64-Jährige zurück, erklärt, mit welcher Entscheidung er sich nicht nur Freunde gemacht hat und warum er künftig über einen Mann forschen will, der den FC Bayern München mitgegründet hat.

Herr Humbert, Sie sind aus Annen gar nicht wegzudenken. Aber kommen Sie eigentlich aus dem Revier?

Nein, ich bin in Bad Driburg in Ostwestfalen aufgewachsen. Im Studium in Heidelberg habe ich dann meine Frau kennengelernt, eine Schwäbin. Aber ich in Württemberg – das konnte ich mir nicht vorstellen.

In der Erlöserkirche findet am Sonntag (4.6.) der Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Claus Humbert statt.
In der Erlöserkirche findet am Sonntag (4.6.) der Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Claus Humbert statt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und Annen war dann gleich Ihre erste Pfarrstelle?

Ja – und hier bin ich dann mein ganzes Berufsleben lang geblieben. Am Dreifaltigkeits-Sonntag „Trinitatis“ bin ich 1989 eingeführt worden, an Trinitatis werde ich auch verabschiedet. Damals habe ich über den Schluss-Segen gepredigt, diesmal wird es um die Berufung Jesajas gehen.

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Andersherum wäre es passender gewesen, oder?

Ach nein, das passt total, sogar besser. In der Berufung erklärt man sich ja bereit, auch in strubbligen Zeiten seinen Dienst zu tun und zu sagen: Ja, ich bin bereit. In der Rückschau kann ich jetzt sagen: Ja, ich habe auch in schwierigen Zeiten meinen Job gerne gemacht. Und ich war dabei nicht allein. Ich hatte Gott an meiner Seite. Und viele treue Weggefährten, die mich begleitet und vielleicht manchmal auch korrigiert haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Auch ihre Frau zählt zu den Weggefährten, nicht nur privat, sondern auch beruflich. Sie ist seit über 20 Jahren in Annen als Pfarrerin im Dienst. Funktioniert das?

Ach, das ist zwiespältig. Aber ja, es funktioniert, weil wir es immer als Chance gesehen haben. Wir lassen uns nicht aufteilen in Du da in der Friedens- und ich hier in der Erlöserkirche. Wir haben immer das Annener Ganze im Blick. Und wir haben es hinbekommen, konkurrenzfrei zu leben.

Wenn Sie nun auf die vergangenen 34 Jahre zurückblicken: Was meinen Sie, an welchen Stellen haben Sie die tiefsten Spuren in der Gemeinde hinterlassen?

Ich weiß nicht. Ein Punkt war vielleicht, dass ich schon 2011 den Impuls gegeben habe, uns vom Gemeindehaus zu trennen und mit dem Erlös den Umbau der Kirche zu finanzieren. Das war ein schmerzlicher Akt, damit habe ich wahrlich nicht nur Liebe geerntet. Aber im Rückblick war es vollkommen richtig.

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Sie haben aber nicht nur das Gebäude, sondern auch das kirchliche Leben in die Zukunft geführt, oder?

Ja, ich wollte immer, dass die Erlöserkirche nicht nur geistliches Zentrum, sondern auch Ort für den kulturellen Dialog ist. Wir haben die Musik ins Haus geholt, viele tolle Konzerte erlebt. Wir haben gezeigt: Wir sind offen – nicht nur am Sonntag.

Der Dialog war Ihnen auch in der Ökumene stets wichtig.

Die Ökumene lag mir tatsächlich immer sehr am Herzen. Schon seit dem Jahr 2000 haben wir eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in England, wie sie so in ganz Deutschland einmalig ist. Jährlich waren wir mit den jeweiligen Konfirmanden dort in Yorkshire – über 500 waren es bestimmt in all der Zeit. Wir haben in England eine ganz eigene Form von Spiritualität erlebt, eine andere Kirche. Aber es ging dabei nicht nur um Ökumene, auch um die Versöhnung.

Am Sonntag wird Pfarrer Claus Humbert zum letzten Mal während seiner Amtszeit auf der Kanzel der Erlöserkirche stehen.
Am Sonntag wird Pfarrer Claus Humbert zum letzten Mal während seiner Amtszeit auf der Kanzel der Erlöserkirche stehen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Meine Frage bezog sich eigentlich auf die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Witten...

Stimmt, auch da war ich 2018 einer der Mitbegründer. Wir wollten, dass die Wittener Christen, egal welcher Konfession, ein Sprachrohr bekommen. Dass die Ökumene in der Stadt sichtbar und hörbar wird. Das ist uns gelungen.

Hörbar waren Sie auch an anderer Stelle. Seit 1999 sitzen Sie für die SPD im Rat. Ist das mit dem Amt als Pfarrer vereinbar?

Als ich aufgefordert wurde, als Kandidat anzutreten, habe ich zunächst viele Menschen aus meinem beruflichen und persönlichen Umfeld gefragt. Und alle haben gesagt: Mach es! Und ja: Es ist vereinbar, zumindest wenn man es schafft, nach innen wie außen nicht zu polarisieren. Ich habe nie eine SPD-Predigt gehalten. Aber vielleicht eine, die meine sozialdemokratische Gesinnung widerspiegelt. Wobei ich ganz klar sage: Meine weltanschauliche Basis ist der Glaube. Punkt.

Der Abschiedsgottesdienst

Der Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrer Claus Humbert findet am kommenden Sonntag (4.6.) und 16 Uhr in der Erlöserkirche an der Westfeldstraße 81 statt.

Anschließend gibt es einen Empfang. Gäste sind willkommen.

Nun treten Sie rund anderthalb Jahre vor dem offiziellen Termin in den Ruhestand. Warum?

Weil ich gesundheitlich angeschlagen bin und merke, dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin, wie es von mir selbst erwarten würde. Deswegen mache ich Sonntag Schluss. Einiges habe ich zwar noch auf dem Zettel, das werde ich machen, wenn es die Gesundheit zulässt. Auch um das christlich-jüdische Verhältnis werde ich mich für den Kirchenkreis weiter kümmern.

Was haben Sie sich denn noch für den Ruhestand vorgenommen?

Im Oktober leite ich mit meiner Frau, die ja noch zweieinhalb Jahre im Dienst ist, erst einmal eine Studienfahrt nach Israel. Dann möchte ich vielleicht etwas forschen. Und zwar über den Bildhauer Benno Elkan, der die Große Menora für die Knesset in Jerusalem geschaffen hat. Das war übrigens ein Dortmunder Junge voller Fußballbegeisterung, der nicht nur den ersten Dortmunder Fußballverein, sondern auch den FC Bayern mitbegründet hat.

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Und wie geht es mit der Gemeinde weiter?

Meine Stelle wird nicht mehr besetzt, die Verteilung der Pfarrer wird künftig anders strukturiert sein. Derzeit wird geplant, wie eine neue sinnvolle Zusammenarbeit der Gemeinden in Witten-Ost aussehen kann. Aber ich denke, wir sind für diesen Prozess gut aufgestellt. Die Menschen hier sind gespannt, wie es weitergeht und offen dafür – auch wenn es sicher einige Stolperkanten geben wird. Denn wenn ich sehe, wie wunderbar und rührend mein Abschiedssonntag vorbereitet wird, dann weiß ich: In dieser Gemeinde ist ganz viel Leben drin.