Witten. Besteht bei einem Wittener Ratsmitglied ein Interessenkonflikt zwischen politischer und beruflicher Tätigkeit? Die Antwort ist nicht so einfach.
Die Wittener Bürgergemeinschaft (WBG) vermutet einen möglichen Interessenskonflikt zwischen den politischen und beruflichen Aktivitäten eines Wittener Ratsmitglieds. Der Bürgermeister sollte prüfen, ob die betreffende Person die entsprechende Regeltreue und freiwilligen Verhaltensregeln eingehalten hat oder unter Umständen befangen ist.
Das Ratsmitglied – ein Investor – sitzt in verschiedenen Ausschüssen. Die WBG spricht in diesem Zusammenhang von möglichen „Wettbewerbsvorteilen“. Derjenige könne bei allen anstehenden Projekten Informationen sehr früh einsehen und für sich beziehungsweise seinen Arbeitgeber verwenden. Doch ist allein das schon verwerflich? Und welche Regeln gelten in dieser Hinsicht überhaupt für Rats- und andere Ausschussmitglieder?
Wittener Wirtschaftsförderer hat Ratsmandat abgegeben
Rechtlich verankert sei etwa die Unvereinbarkeit von politischem Amt und beruflichem Posten in Paragraf 13 des Kommunalwahlgesetzes, so Stadtsprecher Jörg Schäfer. Ein Fall aus den letzten Jahren ist bekannt: Heiko Kubski, lange Zeit als CDU-Ratsherr im Einsatz, hat sein Ratsmandat abgegeben, als er 2020 Mitarbeiter der Wittener Wirtschaftsförderung wurde. In Verwaltung und Politik derselben Stadt zu arbeiten – „das geht nicht“, so Bürgermeister Lars König.
Die Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder wiederum regelt Paragraf 43 der Gemeindeordnung, Paragraf 31 befasst sich mit dem Thema Befangenheit. Die Ratsmitglieder verpflichten sich bei ihrer Vereidigung, diese Regeln zu beachten. Grundsätzlich obliege es der Selbsteinschätzung, ob sich jemand in einer Sitzung für befangen erachtet oder nicht, erklärt König. Man müsse da auf Vertrauen setzen. Er räumt ein: „Ein schwieriges Thema.“
Ratsmitglieder müssen sich selbst für befangen erklären
Immer mal wieder hätten sich Ratsmitglieder quer durch alle Fraktionen für befangen erklärt. Er selbst erinnere sich an eine Grünen-Politikerin, die dies in einer Sitzung getan habe und dieser daraufhin nur als Gast beiwohnte. Das von der WBG genannte Ratsmitglied hatte zuletzt während Debatte und Abstimmung über einen Bebauungsplan den Raum verlassen – also offenbar alles richtig gemacht.
Die Stadt sähe in diesem Falle daher offenbar keine Verfehlung, soll sie der WBG signalisiert haben. Diese nimmt die Aussage der Verwaltung zur Kenntnis und will weiter „recherchieren“. Der Betreffende selbst wollte sich auf Anfrage der Redaktion offiziell nicht äußern.
Zudem, so Bürgermeister Lars König, mache derjenige gar kein Geheimnis aus seiner beruflichen Tätigkeit. Damit der Vorwurf der WBG überhaupt Gesprächsgegenstand werden könne, müsse bekannt sein, dass eine Situation vorliege, die unter dem Aspekt der Befangenheit gesehen werden müsse – dass also ein ziemlich unmittelbares Interesse an einer Entscheidung bestehe.
Wittens Bürgermeister setzt auf Vertrauen
„Wie sollen wir aber unseren Rat konstituieren, wenn alle diejenigen, die in der Stadt tätig sind, nicht antreten dürfen?“ fragt der Bürgermeister. Jeder Gewerbetreibende und jeder Freiberufler, die freie Jugendhilfe und kirchliche Organisationen – sie alle wären dann ausgeschlossen. Das dürfe nicht sein, so König. Denn man brauche „eine breite Expertise“. Deshalb müsse man auf gegenseitiges Vertrauen der gewählten Ratsvertreter setzen und sorgsam mit dem Mandat umgehen.
Für interne Belange der Stadtverwaltung allerdings, so König, gebe es seit 2011 tatsächlich eine Compliance- beziehungsweise Antikorruptionsbeauftragte: die juristische Sachbearbeiterin im Rechtsamt, Cornelia Gehrts. Sie kontrolliere etwa, in welcher Höhe die Bediensteten Geschenke annehmen dürfen. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.