Witten. NRW diskutiert über Pläne, um dem Lehrermangel entgegenzutreten. Auch in Witten ist das Thema präsent. Die Vorschläge kommen nicht überall an.
Der Mangel an Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen sorgt derzeit wieder für reichlich Diskussionen. Für Witten sehen die aktuellsten Zahlen auf den ersten Blick jedoch gut aus. Laut einer Statistik der Bezirksregierung Arnsberg lag die Personalausstattungsquote bei allen Schulformen zusammen im Dezember bei 101,1 Prozent. Alles Paletti also? Der Schein trügt.
Denn insbesondere bei den Grundschulen fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass man mit 93,3 Prozent unterbesetzt ist. „Bei uns selber geht es gerade. Ich weiß aber, dass es woanders nicht so gut aussieht“, sagt Dörthe Diefenbruch, Schulleiterin der Pferdebachschule. Dennoch sagt sie, dass man sich keine Ausfälle leisten könne. Insbesondere vor Weihnachten sei es auch an der Pferdebachschule kurzzeitig eng geworden.
Schulleiterin aus Witten sieht „Entwertung des Berufsbilds“
Von den Plänen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), um dem Mangel entgegenzutreten, hält sie nichts. So wurde unter anderem vorgeschlagen, die Stunden zu reduzieren. „Ich will die Kinder doch unterrichten“, sagt die Grundschulsprecherin. Für sie wäre das eine Art Kapitulation. „Zumal wir da mit den Fächern anfangen müssten, die vielen am meisten Spaß machen wie Sport und Kunst.“
Und auch der Vorschlag, den Eintritt in den Lehrerberuf etwa für Quereinsteiger zu erleichtern, stößt bei Diefenbruch nicht auf Begeisterung. „Ganz ehrlich, da bekomme ich Bauchschmerzen.“ Für sie würde das vor allem bei Grundschullehrerinnen und -lehrern den Eindruck erwecken, „dass jeder den Beruf ausüben könne.“ Für sie hat das Ganze auch mit Wertschätzung zu tun. „Ich empfinde solche Vorschläge als Entwertung unseres Berufsbilds.“ Hierbei erinnert sie auch an die Qualitätssicherung. „Wir brauchen top ausgebildete Kräfte. Wenn wir an der Grundschule etwas vermasseln, dann kann das später nicht mehr aufgearbeitet werden.“
„Belastung für Lehrkräfte wird größer“
Auch Susanne Daum hält solche „Schnellschüsse“ nicht für zielführend. „Das sind alles keine guten und langfristigen Lösungen“, sagt die Schulleiterin der Bruchschule. Sie selbst arbeitet an ihrer Schule derzeit mit zwei Ergänzungskräften, die keine Lehrerausbildung haben. „Da mache ich auch wirklich gute Erfahrungen, es kann aber auch anders sein.“
Sollte man den Zugang zum Lehrerberuf niederschwelliger gestalten wollen, müsse es klare Kriterien geben. „Die Belastung wird für die Lehrkräfte immer größer. Wir müssen auch schauen, dass wir den Beruf wieder attraktiver machen.“ Auch von einem ausgedünnten Stundenplan hält sie nichts. „Ich wüsste nicht, wo wir noch kürzen sollten. Besonders in Grundschulen ist das nicht so einfach machbar, schließlich legen wir hier die Basis.“
Auch eine 100-Prozent-Quote kann Probleme machen
Quereinsteiger sind auch am Wittener Berufskolleg ein großes Thema. „Wenn Leute zehn Jahre in der Industrie waren und dann zu uns wechseln, kann das schon etwas bringen“, sagt Schulleiter Olaf Schmiemann. Er rät allerdings allen, zunächst zu hospitieren, bevor man in den Lehrerberuf wechselt. „Die Anwärterinnen und Anwärter wissen oft nicht, was sie erwartet, vor allem was das Erzieherische betrifft.“
Am Berufskolleg liegt die Personalausstattungsquote derzeit bei 105,3 Prozent. „Ich habe keine offenen Stellen, allerdings bräuchte ich eigentlich eine Quote von 110 bis 115 Prozent.“ So hätte man einen Puffer, um Ausfälle zu kompensieren. Hinzu käme bei Berufskollegs, dass es in den einzelnen Fachbereichen oft einen Mangel gibt.
„Es wird zwar grundsätzlich auf die Quote geschaut, allerdings nicht darauf, ob es in den Fachbereichen auch wirklich genügend Lehrer gibt.“ Sprich: Über 100 Prozent Ausstattung bedeuten nicht, dass auch alle Bereiche ausreichend Lehrkräfte haben. Schmiemann würde sich derzeit zum Beispiel eine weitere Lehrkraft für Kfz-Technik wünschen. „Die Quoten sind oft ein Trugschluss, auch wenn sie auf den ersten Blick gut aussehen“, so der Chef des Berufskollegs.