Witten. Wer will nicht durch die Zeit reisen. Im Saalbau geht das jetzt. Dort tauchen Besucher in virtuelle Welten. Und Witten erscheint in neuem Licht.
In einem Raum im Saalbau können Besucher gerade durch die Wittener Zeitgeschichte reisen. Neun Monate lang arbeitete das Künstler-Pärchen Lex Rütten und Jana Karima Stolzer an der Installation „A Rubbles Lament – Klagelieder eines Geröllhaufens“. Das ist so ungewöhnlich, wie es klingt.
Den Auftrag bekamen die beiden vom Kulturforum. Das will mittels digitaler Kunst seit letztem Sommer den Saalbau ein Stück moderner machen. Das Dortmunder Duo sollte sich „irgendwas mit den neuen VR-Brillen“ überlegen, mit denen man in virtuelle Welten eintauchen kann.
Wittener Stadtarchiv inspiriert Künstler zur virtuellen Reise
„Wir haben mit Hilfe des Stadtarchivs ganz viel über die Geschichte Wittens erfahren, die uns zu dem Ausflug durch die Jahrtausende inspiriert hat“, erklärt Rütten. Das Ergebnis ist eine virtuelle Zeitreise: Von der Karbon-Zeit über Hexenverbrennungen und den ersten Kohle-Fund bis in die Zukunft, in der die Burgruine Hardenstein unter Wasser steht.
Wer den kleinen Saal betritt, taucht ein in eine andere Welt. Der Raum ist mit Stoffen ausgekleidet, auf die Motive von Bodenschätzen gedruckt sind. Kupfer, Nickel, Kobalt, Silber, Gold und – natürlich – Kohle. Denn in der Installation geht es vor allem darum, Epochen in Gesteinsschichten abzulesen.
In der Mitte steht ein hohes Zelt, das an einer Seite offen ist. Auf vier Hockern aus Stein können die Besucher Platz nehmen. Dann geht die Reise los. Zunächst sehen sie ein Video – noch ohne VR-Brillen. Ein Feuer brennt, im Hintergrund erklingt das philippinische Lied aus dem Film „Klagen eines Bergmanns“, wovon auch der Titel der Installation inspiriert ist. In dem Lied singen Kinder darüber, dass der Wald wegen des Bergbaus abgeholzt wird.
Fiktiver Charakter begleitet die Besucher
Dann stellt sich ein fiktiver Charakter namens Xtract vor. Er wird die Besucher auf ihrer Reise begleiten. Xtract ist eine Figur aus Geröll, bestehend aus verschiedenen Elementen. Sein Kopf ist ein lila-schimmernder Amethyst, sein Körper besteht aus Kohle-Stücken, eine seiner Hände ist das Rad eines Braunkohlebaggers. Xtract erzählt die Geschichte des Kohlefunds in den Ruhrauen.
Die Öffnungszeiten
Die VR-Installation läuft noch bis zum 10. Februar immer mittwochs bis sonntags von 16 bis 20 Uhr im Saal C des Saalbaus. Der Eintritt ist kostenlos.
Bis zu vier Personen können sich gleichzeitig in einem 30-minütigen Slot auf die virtuelle Zeitreise begeben. Größere Gruppen wie etwa Schulklassen sollten sich in jedem Fall vorab unter saalbaukasse@stadt-witten.de anmelden.
Die Vorstellung ist auf Englisch, ebenso wie die Untertitel. Brillentragende sollten für den Besuch lieber Kontaktlinsen tragen – dann lässt es sich leichter durch die VR-Brillen gucken.
Dann ist es Zeit, die VR-Brillen aufzusetzen. Zu sehen ist eine Animation mit tropischen Wäldern, Gesteinsschichten, Seen und Stollen, die nicht nur in 3D-Optik zu bestaunen sind, sondern sich auch um 360 Grad drehen lassen. Besucher Reinhard Neitzel aus Sprockhövel ist begeistert: „Ich habe durch diesen Rundum-Blick, auch in die Höhe und die Tiefe, das Gefühl, voll dabei zu sein.“
Plötzlich liegt die Ruine Hardenstein auf dem Meeresgrund
Xtract erzählt von dem Hexenmeister Bottermann, der um 1650 in Witten der Hexerei für schuldig erklärt wurde. Im „Hexenkolk“, unterhalb des heutigen Eisenbahn-Viaduktes, wurde er ins Ruhrwasser geworfen. Wer unterging, war unschuldig. Wer auf dem Wasser trieb, besaß Zauberkräfte. Bottermann blieb an der Oberfläche, und so endete sein Leben auf dem Scheiterhaufen. Die Asche Bottermanns ging in den Boden über und bildet so einen Teil der Gesteinsschicht in Witten.
Gemeinsam mit Xtract folgt eine Reise durch Urwälder bis in die Zukunft. Die Figur führt die Zuschauenden durch eine Unterwasserwelt, auf deren Meeresboden die Ruine Hardenstein und das Viadukt liegen. Denn aufgrund der Erderwärmung wurde das Ruhrgebiet überflutet. Xtract philosophiert darüber, wie sich der menschliche Eingriff ins Ökosystem der Tiefsee auf die Erde auswirken könnte. Dann legt er sich auf dem Wittener Meeresgrund schlafen. Zeitreisen macht müde.