Witten. Schloss Steinhausen ist Wittens Selfie-Hot-Spot – denn dort stehen großformatige Tierskulpturen aus Schrott. Gerade lohnt ein Besuch besonders.
Ein mannshoher Löwe, eine rostige Giraffe, Okapis, Adler, Ponys stehen am Wegesrand. Und dazwischen Menschen, die sich in diesem Zoo aus Stahltieren fotografieren. Wer zurzeit das Schloss Steinhausen besucht, kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Der frei zugängliche Skulpturenpark der Galerie „Shona Art“ ist in den letzten Wochen gewachsen. Ein Besuch lohnt sich mehr denn je.
Zurzeit ist eine Künstlergruppe aus Zimbabwe auf dem Schlossgelände im Arbeitseinsatz. Raymond Chataira und sechs weitere Künstler schweißen, hämmern und sortieren Schrott. Chataira ist der Mann mit einer schwarzen Mütze und der Schweißbrille, der scheinbar instinktiv aus alten Bremsscheiben, Schrauben, Maulschlüsseln, Kupplungsscheiben oder Kugellagern eine Silhouette formt. Man kann dabei zusehen, wie ein riesiger Kaffernbüffel entsteht, ein Löwe in doppelter Lebensgröße, ein Gorilla und vor allem: ein 1:1-Modell von einem Mercedes-Cabriolet. An diesem Vormittag stoppen etliche Radfahrer im Innenhof und gucken zu. Ein Ehepaar kauft begeistert zwei Erdmännchen-Skulpturen für ihren Garten. „Sowas ist doch einzigartig“, hört man sie sagen.
„Man kann es anders, aber niemals besser machen“
Ist es auch. Bastian Müller-Mühlinghaus ist früher als Rucksacktourist durch das südafrikanische Land gereist. Vor 20 Jahren gründete er die Galerie Shona Art und importierte Steinskulpturen, die sich Kunstinteressierte gern in den Garten stellen. Bei einer Ankaufreise lernte er „Ray“ kennen, der in seiner Heimat bereits ein bekannter Künstler ist. Seit Müller dessen Kunstwerke fördert, erlebt auch die Galerie einen Aufschwung. „Rays Kunst ist einfach extrem gut. Man kann es anders, aber niemals besser machen“, findet Bastian Müller. Und: „Seine Gabe ist es, Weggeworfenes lebendig zu machen.“
Coronabedingt konnte Ray Chataira zwei Jahre lang nicht nach Witten reisen und hier arbeiten. Aus Witten kam dennoch Unterstützung: „Wir wollten unbedingt, dass die Künstler weiter arbeiten können“, sagt Müller. In der Hauptstadt Harare entstand ein Künstlerdorf. Dort wurden die Skulpturen produziert, die anschließend in Überseecontainer nach Witten verschickt wurden. Genaugenommen sind es 2000 km Landweg mit dem Lkw nach Durban in Südafrika, dann 8000 km Seeweg. Leichteste Übung ist dann die Überfahrt von Bremerhaven nach Witten.
Originalgetreues Mercedes 170S – A Cabrio
Im Frühjahr 2022 reifte während eines Telefonats zwischen Ray und Bastian Müller ein neuer Plan: Diesmal sollte kein Lebewesen aus der afrikanischen Tierwelt nachgebaut werden, sondern ein Auto. Ein originalgroßer Nachbau, aber aus alten Autoteilen. Es musste natürlich ein Mercedes sein. „In Afrika ist der Mercedes der Inbegriff von Deutschland“, schwärmt der Mann aus Zimbabwe. Dass die Edelmarke hier auch als Taxi dient, konnte er sich nicht vorstellen.
Bastian Müller fand über Umwegen sogar ein besonderes Exemplar. Gerhard Geppert aus Bommern besitzt einen „Mercedes 170 S – A Cabrio“. Zwischen 1949 und 1951 wurden nur 840 Stück des Edelgefährts gebaut. Etwa 250, so Geppert, würden noch existieren. Er hat – weil seine Frau seine Leidenschaft für historische Motorräder nicht teilte – vor 15 Jahren sein Schätzchen gekauft. „Das ist eine absolute Rarität“, schwärmt der Sammler. Der Wagen sei absolut fahrbereit und zuverlässig, im Sommer macht das Ehepaar gern Ausfahrten, aber auch Touren bis zu 300, 400 Kilometer. „Ich fand diesen Wagen von Anfang an unglaublich“, sagt Bastian Müller. Unglaublich, dass so etwas Schönes in seiner Nachbarschaft zu finden war.
Grundgerüst aus Rundstäben
Geppert ist zwar hin- und hergerissen zwischen Besitzerstolz und der Hemmnis, seinen Wagen herzugeben. „Aber ich habe ohne zu zögern zugesagt. Meine innere Begeisterung ist grenzenlos“, schwärmt er. An einem Wochenende saß er im Klappstuhl neben seinem Gefährt, während Ray Chataira den Wagen fotografierte, vermaß und aus Rundstäben ein Drahtgestell bog – das Grundgerüst des Kunstwerks.
Raymond Chataira wird am Freitag zurück zu seiner Familie fliegen, das Visa läuft ab. Den Mercedes in Witten stellen seine Helfer fertig. Was kostet die Kunst aus Zimbabwe? Für einen stattlichen Adler ruft Müller 2- bis 3000 Euro auf den Plan. Die großen Tiere kosten bis zu 30.000 Euro. Das Auto übrigens ist – zunächst – nicht für den Verkauf gedacht. Irgendwann soll das fast zwei Tonnen schwere Kunstwerk mit einem Kran auf die Wiese am Parkplatz Steinhausen gehievt werden, damit viele Wittener es ansehen können – und fotografieren.