Witten. Wer schon einmal einen suchte, weiß: Kurzzeitpflegeplätze sind rar. In Witten gibt es bislang nur 34. Sie sind nicht das Einzige, was fehlt.

Inge Wagener strahlt. Die 84-Jährige ist derzeit zur Kurzzeitpflege in den „Feierabendhäusern“ an der Pferdebachstraße und fühlt sich in ihrem neuen Zuhause auf Zeit ganz wohl.

Sonst wird die Herdeckerin von ihrer Tochter versorgt, mit der sie in einem Haus wohnt. Daheim finden gerade Bauarbeiten statt. Deshalb lebt die Seniorin jetzt für drei Wochen als Gast im Wittener Seniorenheim der Diakonie Ruhr. Sie hat Glück gehabt. Denn reine Kurzzeitpflegeplätze sind nicht nur in Witten, sondern im ganzen EN-Kreis Mangelware, sagt Bernd Biewald, beim Kreis für die Heimaufsicht zuständig.

Von den zwölf Wittener Altenheimen bieten die „Feierabendhäuser“ 24 sogenannte „solitäre“ Kurzzeitpflegeplätze an, die Boecker-Stiftung an der Breite Straße noch einmal weitere zehn. Das war es bislang. Bis zum Jahresende sollen im Altenheim „Seniorenhaus“ am Helfkamp in Stockum 15 weitere reine Kurzzeitpflegeplätze an den Start gehen. Vorausgesetzt, bis dahin werden die dafür noch notwendigen Pflegefach- und Pflegehilfskräfte gefunden, sagt Geschäftsführerin Annina Bungert.

Plätze in den Wittener „Feierabendhäusern“ sind in den Ferien zu 90 Prozent vergeben

Während einer Reise in Israel hat Heimleiter Andreas Vincke,  leidenschaftlicher Hobbyfotograf, Früchte auf einem Markt in Tel Aviv fotografiert. Die Bilder schmücken jetzt den Speiseraum der Kurzeitpflege-Gäste.
Während einer Reise in Israel hat Heimleiter Andreas Vincke, leidenschaftlicher Hobbyfotograf, Früchte auf einem Markt in Tel Aviv fotografiert. Die Bilder schmücken jetzt den Speiseraum der Kurzeitpflege-Gäste. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Reine Kurzzeitpflegeplätze stehen pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung, wenn etwa pflegende Angehörige verhindert sind oder verreisen wollen, um sich zu erholen. Menschen, die nach einem Klinikaufenthalt zunächst noch auf Pflege angewiesen sind oder auf einen Platz in der Reha warten, können ebenfalls Kurzzeitpflege in einer Einrichtung in Anspruch nehmen – so sie einen freien Platz finden.

In den „Feierabendhäusern“ werden auch Menschen auf Kurzzeitpflegeplätzen versorgt, deren Wohnungen gerade altersgerecht umgebaut werden oder die in ihrer allerletzten Lebensphase sind, sagt Einrichtungsleiter Andreas Vincke.

Während der Sommerferien sind bereits 90 Prozent seiner Kurzzeitpflegeplätze belegt. Die 24 Einzelzimmer und die Flure wurden gerade in fröhlichen Farben gestrichen. An den Wänden sind Fotos von bekannten Urlaubszielen in Deutschland zu sehen, die Heimleiter Vincke selbst gemacht hat. Die Kurzzeitpflege in seinem Haus soll ein Wohlfühlort sein.

Heimleiter: Kurzzeitpflegeplätze müssten besser finanziert werden

Im Kurzzeitpflege-Bereich der „Feierabendhäuser“ hängen jetzt dauerhaft Bilder von bekannten Zielen in Deutschland. Fotografiert hat sie Einrichtungsleiter Andreas Vincke. 
Im Kurzzeitpflege-Bereich der „Feierabendhäuser“ hängen jetzt dauerhaft Bilder von bekannten Zielen in Deutschland. Fotografiert hat sie Einrichtungsleiter Andreas Vincke.  © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Andreas Vincke würde es begrüßen, wenn es mehr solcher Angebote in der Stadt geben würde. Zwar verfügen auch andere Wittener Heime über Kurzzeitpflegeplätze. Das sind – im Gegensatz zu den „solitären“ – „eingestreute“ Plätze. Sie können für die Kurzzeitpflege verwendet werden, müssen es aber nicht – wenn etwa ein freier Platz für einen Menschen benötigt wird, der ganz in die Einrichtung ziehen möchte.

Das St. Josefshaus in Herbede verfügt über acht „eingestreute“ Plätze. Auch Geschäftsführer André Löckelt ist der Ansicht, dass es mehr reine Kurzzeitpflegeplätze geben müsse. Der Grund, warum sie nicht geschaffen werden, sei die Finanzierung. Löckelt: „Ein Kurzzeitpflegeplatz deckt nicht die Kosten.“ Nur ein belegtes Bett erwirtschafte Geld, um das nötige Personal zu finanzieren.

Dass reine Kurzzeitpflegeplätze deutlich mehr organisatorischen Aufwand erfordern als feste Heim-Pflegeplätze, betont auch Andreas Vincke von den Feierabendhäusern. Er vergleicht seine Kurzzeitpflegeplätze ein wenig mit einer Hotel-Situation. Gäste kommen für eine kurze Zeit und verlassen das Haus dann wieder. „Das erfordert einen hohen zeitlichen Einsatz.“ So etwas müsse eigentlich von den Krankenkassen refinanziert werden, was aber nicht der Fall sei.

Kreis-Heimaufsicht: Das Angebot ist ein Tropfen auf den heißen Stein

Bernd Biewald von der Kreis-Heimaufsicht verweist ebenfalls auf das Finanzierungsproblem bei reinen Kurzzeitpflegeplätzen. Da sei der Gesetzgeber gefordert. Er könne etwa dafür sorgen, dass es feste Zuschüsse pro Platz gebe, so Biewalds Vorschlag. Die derzeit in Witten angebotenen 34 Plätze seien jedenfalls „ein Tropfen auf den heißen Stein, das ist nicht befriedigend“. Im gesamten Kreis gebe es nur noch in Ennepetal „solitäre“ Kurzzeitpflegeplätze im Altenheim „Haus am Steinnocken“. Ein solches Angebot in Hattingen sei Ende letzten Jahres „stillgelegt“ worden, sagt Biewald. Der Grund: Personalmangel.