Witten. Die Kirche durchlebt schwierige Zeiten. Eine Wittener Pfarrerin erzählt, was ihr Mut macht: Zwei Begegnungen – unspektakulär und doch besonders.
Sie hat ihren Job als Innenstadtpfarrerin in Witten vor nicht mal zwei Jahren angetreten. Da hatte Corona schon alles lahmgelegt. Dabei liegt Mareike Gintzel die Gemeindearbeit – vor allem mit Kindern und Jugendlichen – doch so am Herzen. Aber wie sollte das gehen auf Distanz? Überdies steht nicht nur die evangelische Kirche gerade noch vor ganz anderen Herausforderungen. Zwei besondere Begegnungen haben der 38-Jährigen in dieser vorösterlichen Zeit Mut gemacht.
Wie geht es Ihnen?
Mareike Gintzel: Es ist gerade eine sehr anstrengende Zeit. Wir schrumpfen. Immer mehr Arbeit wird auf immer weniger Schultern verteilt. Unsere gewohnten Strukturen werden sich so nicht halten lassen. Wir müssen in Zukunft vieles neu denken. Das finde ich okay. Aber es dauert, bis alle das verstehen. Man trifft auf Widerstände und Ängste. Ich bin selbst oft fragend und voller Sorge, wie es mit der Kirche weitergeht.
Wo genau spüren Gemeindemitglieder jetzt schon, dass etwas nicht so läuft wie gewohnt?
Da finden zum Beispiel bestimmte Treffen nicht mehr statt, die von einer Pfarrperson geleitet werden wollen. Da werden in Zukunft Gemeindebüros nicht mehr täglich besetzt werden können. Gottesdienste können nicht mehr in ihrer Vielzahl angeboten werden. In der Christuskirche etwa geben wir gerade alles, damit jeden Sonntag ein Gottesdienst stattfinden kann, obwohl dort mit Christian Uhlstein und Johannes Ditthardt zwei Pfarrer weggegangen sind. Auch unsere Ehrenamtlichen können nicht noch mehr stemmen. Das alles bringt einige an ihre Grenzen.
Die Pandemie hat die Situation zusätzlich erschwert...
Da mussten wir auf vieles verzichten, dass uns sonst in schwierigen Zeiten hilft: gemeinsam feiern, lauthals singen, sich umarmen, zusammen essen. Dazu war der letzte Winter so unglaublich grau und trist. Wir entbehren gerade so viel, dass ich in diesem Jahr auch während der Fastenzeit nicht auf Kleinigkeiten wie Süßes verzichte.
Witten bekommt ersten „Queer“-Gottesdienst
Mareike Gintzel ist seit August 2020 Innenstadtpfarrerin. Sie arbeitet zu 75 Prozent in der Johannisgemeinde und zu 25 Prozent in der Trinitatisgemeinde.Ihr Herz schlägt besonders für den Feminismus und das queere (sexuell vielfältige, Anm.d.Red.) Leben. Sie macht mit beim „Queer*Stadt“-Stammtisch in der Werkstadt. Am 17. Mai wird es den ersten Queer-Gottesdienst in Witten geben.Die 38-Jährige hat sich bewusst für Witten entschieden und dies nicht bereut: „Es fühlt sich hier inzwischen nach Zuhause an.“ Sie mag vor allem das Knut’s im Wiesenviertel und die Ruhr.
Doch jetzt grünt und blüht alles. Ostern naht. Und Sie hatten zwei Begegnungen, die Ihnen nach kräftezehrenden Monaten Hoffnung gegeben haben. Was ist passiert?
Neulich hat es abends an die Tür des Johanniszentrums geklopft. Ich hatte dort gerade ein Treffen mit Jugendlichen. Ein junger Mann stand vor der Tür, ein Student aus Süddeutschland, der nach Witten gezogen ist. Er habe sich in seiner Heimat schon engagiert und wolle dies hier auch tun. Ich habe ihn eingeladen, irgendwann die Gemeinde kennenzulernen. Dann ist er gegangen und ich dachte eigentlich: Das war’s vielleicht auch schon. Aber er hat das echt ernst gemeint, hat Sehnsucht nach Gemeinde, will sich einbringen. Er wird nun in die Jugendarbeit einsteigen. Das ist so schön.
Und die zweite Begegnung?
Die war ähnlich. Ein Bekannter hat mich nach dem Gottesdienst angesprochen. Auch er hat Lust auf Gemeinde, will sich engagieren. Das war das zweite Geschenk innerhalb kürzester Zeit, also dass jemand von sich aus auf mich zugekommen ist. Das sind zwei Menschen, durch die Gott mir sagt: Es geht weiter mit unserer Kirche. Und es passt zu Ostern, dem Fest der Auferstehung und des Lebens. Ostern hat für mich eine „Trotz-Kraft“. Nachdem wir den anstrengenden Karfreitag ausgehalten haben, dürfen wir das Leben feiern, auch wenn nicht alles gut ist.