Witten. Die Kriegsgefahr in ihrer Heimat ist allgegenwärtig. Was Menschen aus der Ukraine, die seit Jahren in Witten leben, in diesen Tagen durchmachen.
Die Ukraine-Krise spitzt sich zu. Inzwischen ist die Kriegsgefahr allgegenwärtig. Die Nachrichten erfüllen viele Menschen mit Sorge, besonders die, die aus der Ukraine stammen und dort noch Familie haben, wie Olena Kulak und Nataliya Koshel aus Witten.
Ukrainerin in Witten verfolgt ständig die Nachrichten über ihre Heimat
Olena Kulak lebt und arbeitet seit acht Jahren in Witten. Sie hat kürzlich mit einer Ausbildung zur Yogalehrerin begonnen. Ständig verfolgt sie die Nachrichten. Doch auch wenn die 28-Jährige längst sicher in Deutschland lebt, so ist die junge Frau mit ihren Gefühlen und Gedanken doch ganz nah bei den Menschen in ihrer Heimat.
Vor allem hat sie ihre Eltern, die jüngere Schwester und Freunde vor Augen. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass es in dem Land, in dem ich geboren bin, so weit kommen kann. Das erschreckt mich und ich spüre Angst“, sagt sie. Wenn es ganz schlimm wird, ruft sie ihre Eltern an. Die haben sich trotz allem ihre Gelassenheit bewahrt, sagt Olena Kulak.
Dabei gelte in der Ukraine seit zwei Wochen der Ausnahmezustand, berichtet Nataliya Koshel. Die Vorsitzende des Wittener Integrationsrates stammt aus dem Westen des Landes und telefoniert fast täglich mit ihrer Mutter oder anderen Verwandten. „Die Menschen sind auf das Schlimmste eingestellt, aber bereit, ihr Land zu verteidigen.“ Manche hätten auch schon einen Rucksack gepackt, um im Fall der Fälle schnell fliehen zu können.
145 Bürger mit ukrainischem Pass
In Witten leben nach aktuellem Stand rund 145 Menschen mit ukrainischem Pass.
Olena Kulak kam für ein freiwilliges soziales Jahr im Christopherus-Haus nach Witten.
Nataliya Koshel zog 2009 nach Deutschland, wohnt mit Mann und Sohn in der Innenstadt.
Vor sieben Jahren führten die beruflichen Wege Roman Charnoiuk nach Deutschland.
Die Belastung der Menschen ist schon jetzt enorm. Olena Kulak weiß von jungen Leuten, die wegen Angstzuständen in psychologischer Behandlung sind. Das sei nicht verwunderlich. „Im Fernsehen, im Netz, in den Zeitungen ist die Kriegsgefahr das beherrschende Thema.“ Erschwerend komme hinzu, dass man den Eindruck habe, „es sind dauernd falsche Informationen von allen Seiten im Umlauf. Da wissen die Menschen einfach nicht mehr, wem oder was sie glauben sollen“. Lobende Worte findet sie für westliche Medien, die die Bedrohung durch Russland in den Vordergrund der Berichterstattung stellen, damit den Menschen klar werde, wie groß die Gefahr inzwischen geworden ist.
Unter Landsleuten gibt es auch Befürworter von Putins Vorgehen
Dass man die seit Jahren andauernden Konflikten im Osten der Ukraine hierzulande kaum wahrnimmt, empfinden die beiden Ukrainerinnen als verstörend. „Dabei sind Tausende von Menschen in Gefechten gestorben.“ Mittlerweile geht Nataliya Koshel ganz fest davon aus, dass sich der Krieg ausweitet und ein Einmarsch russischer Truppen in Kürze bevorsteht. Die Zeit von Diplomatie und Verhandlungen sei längst vorbei, glaubt sie.
Kaufmann Roman Charnoiuk, in Witten geschäftlich fest verankert, hat diese Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. Es müsse sich doch eine friedliche Lösung finden lassen, sagt er. Unterstützung erhält er von Olena Kulak. Beide stimmen darin überein, wie dramatisch sich die Lage seit ihren letzten Besuchen zu Weihnachten verändert habe. Eine gewisse Anspannung habe man damals schon gespürt. „Dass sich das aber so verschärft, war nicht absehbar.“
Es gebe sogar Befürworter eines russischen Einmarschs
Derweil hört Olena Kulak auch von Menschen in der Ukraine, die einen Einmarsch russischer Truppen durchaus befürworten. Das Leben in der damaligen Sowjetunion, zu der die Ukraine gehörte, sei besser gewesen, laute deren Argument. Auch hierzulande gebe es Befürworter des Kreml-Chefs Putin, weiß Nataliya Koshel. Sie könne diese Landsleute nicht verstehen.