Witten. Jahrelang saß er auf einem Mäuerchen an der Berliner Straße. Nun ist Bernd, Wittens bekanntester Obdachloser, mit nur 56 Jahren verstorben.
Auf seinem Mäuerchen am Ausgang der Stadtgalerie hat man Bernd schon länger nicht mehr gesehen. Er wird dort auch nie mehr sitzen. Wittens bekanntester Obdachloser ist am Samstag (11.12.) mit 56 Jahren im Krankenhaus verstorben.
Eigentlich gehört er schon zum Stadtbild von Witten dazu: Bernd, der Obdachlose, der jahrelang in der Stadtgalerie übernachtet hatte, bevor er in den Bahnhof umzog, um morgens dann seinen Platz auf dem Mäuerchen an der Ecke Poststraße/Berliner Straße in Beschlag zu nehmen. Viele Passanten kannten und grüßten ihn. „Er war ein herzlicher Mensch. Ein Typ mit Ecken und Kanten“, beschreibt ihn Sozialarbeiter Michael Raddatz von der Caritas, der die Bewohner der städtischen Notunterkünfte betreut.
Dass der graubärtige Mann allerdings alles andere als umgänglich war, musste das Management der Stadtgalerie erfahren: Immer wieder machte der anfangs friedliche Übernachtungsgast Ärger, im Winter 2020 gab es teilweise bis zu zehn Polizeieinsätze täglich. Die Folge: Seitdem wird der Durchgang der Mall nach Geschäftsschluss und bis zum frühen Morgen abgeschlossen.
Zuletzt übernachtete Bernd in der Bahnhofshalle
Wegen mehrfachem Hausfriedensbruch landete Bernd schließlich im Juni vor dem Wittener Amtsgericht. Ein forensischer Psychiater bescheinigte dem gebürtigen Wittener eine sehr schwere Alkoholabhängigkeit, die ihn sowohl körperlich als auch seelisch krank gemacht habe. Als schuldunfähig wurde er freigesprochen.
Bis September saß Bernd noch eine in anderer Sache verhängte Haftstrafe ab. Dann zog er zum Schlafen in den Hauptbahnhof um. Noch einige Mal wurde er – zuletzt Mitte November im Rollstuhl – nahe seines Mäuerchens gesehen. Wie die Redaktion nun erfahren hat, ist er vor einigen Wochen ins Krankenhaus eingewiesen worden und dort gestorben.
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Seine Lebensgeschichte hat Bernd der WAZ nur bruchstückhaft erzählt. Demnach ist er vor Jahren aus seiner Wohnung geflogen, weil er keine Miete mehr gezahlt hatte. Dabei gab es mal so etwas wie ein normales Leben: Kfz-Schlosser gelernt, später in einer Härterei gearbeitet, dann elf Jahre bei Pilkington. Verheiratet war er, zwei Kinder hatte er. Wenn man ihn auf seinem Mäuerchen interviewte, staunte man, wie schnell sich mitunter Bernds Kaffeebecher mit Geldmünzen füllte.
Hilfsangebote mehrfach abgebrochen
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Viele haben während seiner mehrjährigen Obdachlosigkeit versucht, Bernd zu helfen. Da waren Ehrenamtliche wie Stefanie Charlotte Neto Mendonca, die sich mit ihrer Organisation „Steffi hilft“ um ihn kümmerte. Auch die Stadtverwaltung hat ihn immer mal wieder unterbringen können, auch in einer Einrichtung für suchtkranke Obdachlose in Gevelsberg. Dort hat er es aber nie lange ausgehalten und immer wieder die Hilfsangebote abgebrochen. Ein gesetzlicher Betreuer hat sich ebenfalls sehr um ihn bemüht. Zuletzt scheiterte auch eine Einzelunterbringung in städtischem Obdach.
Woran kann es liegen, dass Bernd selbst bei winterlichen Temperaturen lieber draußen als drinnen lebte? „Manche Leute können es nach vielen Jahren auf der Straße nicht mehr haben, vier Wände um sich herum zu haben“, sagt Michael Raddatz von der Caritas. Allen Widrigkeiten zum Trotz, seinen Helfern hat Bernd immer wieder deutlich gemacht: Sein Platz war in Witten auf der Mauer.