Witten. Das Ruhrhochwasser hat der Brennerei Sonnenschein in Witten-Heven schweren Schaden zugefügt. Wie das Brennerei-Team sich nach vorne kämpft.

Mitte Juli kam sich Sebastian Banhold vor wie in einem Albtraum. Der Geschäftsführer der Hevener Traditionsbrennerei „Sonnenschein“ stand in seinen zerstörten Geschäftsräumen in der Straße „In der Lake“, die vom Ruhrhochwasser geflutet worden war. Drei Monate später blicken er und sein Team zuversichtlich nach vorne, packen im Auftrag von Unternehmen aus der Region bereits Hunderte von Weihnachtspräsenten, die die Brennerei auf Wunsch von Firmen auch ins Ausland verschickt.

Der neue Bodenbelag des sanierten, noch leeren Verkaufsraumes: Gussasphalt. Dieser halte auch Wasser stand, sagt Geschäftsführer Sebastian Banhold.
Der neue Bodenbelag des sanierten, noch leeren Verkaufsraumes: Gussasphalt. Dieser halte auch Wasser stand, sagt Geschäftsführer Sebastian Banhold. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ja, das Weihnachtsgeschäft sei bereits angelaufen, sagt der 40-Jährige. Anfang August hat Banhold mit seinen Mitarbeitern aus dem Lager des Geschäftes heraus erst einmal 7500 eigenhändig vom Schlamm gereinigte Flaschen zum Schnäppchenpreis verkauft - „Flutwein“ sozusagen und viele andere alkoholische Getränke.

Nach dem ersten großen Schock über die großen Wasserschäden im Brennerei-Gebäude krempelten der Bochumer und seine Leute die Ärmel hoch. Das Lager ist immer noch ihr improvisierter Verkaufsraum, aber die Sanierungsarbeiten gehen gut voran.

Wittener Familienunternehmen fertigt neue Ausstattung für den Verkaufsraum

Im großen, noch leeren Verkaufsraum geht man jetzt über sogenannten Gussasphalt, der nur noch beschichtet werden muss. Dieser Boden werde auch standhalten, „falls noch einmal das Wasser kommt“, sagt Banhold.

Kostenlose Büroräume auf dem Gesundheitscampus Bochum

Auch die Brennerei „Sonnenschein“ hat nach dem Ruhrhochwasser Solidarität erfahren. Das IT-Unternehmen, das die Firma betreut, hat Büroräume auf dem Gesundheitscampus in Bochum, die derzeit nicht benötigt werden. Brennerei-Geschäftsführer Sebastian Banhold: „Diese Büroräume können wir kostenlos bis zum Jahresende nutzen.“

Der Bochumer Getränkefachgroßhändler Hartmann stellt der Hevener Firma sein Lager in Wattenscheid als Zwischenlager zur Verfügung. Banhold: „Und wir gehören nicht zur Kundschaft.“

Die Ruhr hatte Mitte Juli nicht nur den früheren Holzboden zerstört, sondern auch den Estrich darunter zu Hügeln aufgeworfen. Da war nichts mehr zu retten, alles musste raus. Auch die große Theke wurde abgebaut - und landete auf dem Müll. In zwei Wochen, so der Brennerei-Geschäftsführer, könne man im Verkaufsraum wohl wieder - noch improvisiert - Kunden willkommen heißen.

Sebastian Banhold im Juli eine Woche nach der Flut in seinem zerstörten Verkaufsraum in der Hevener Straße „In der Lake“.
Sebastian Banhold im Juli eine Woche nach der Flut in seinem zerstörten Verkaufsraum in der Hevener Straße „In der Lake“. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Für die neue Einrichtung ist das Wittener Familienunternehmen Kost zuständig, Spezialisten für Laden- und Objektbau mit einer eigenen Tischlerei. Im neuen Jahr, im Februar, so hofft Banhold, sei dann alles fertig für den Neustart. Was ihm wichtig ist: „Viele meckern über Versicherungen. Wir sind sehr froh, eine Elementarschadenversicherung zu haben.“ Auf rund eine Million Euro schätzt er den vom Wasser angerichteten Sachschaden - Umsatzeinbußen inklusive.

Auch Spätburgunder von der Ahr wird 2022 wieder in Heven verkauft

Vor sieben Wochen war er an der Ahr, wo er ein Winzer-Ehepaar besucht hat, von dem er Spätburgunder bezieht. Das Weingut Bertram-Baltes in Dernau sei massiv von der Flutkatastrophe betroffen. Durch das Hochwasser sind Großteile des Winzer-Betriebes nicht mehr nutzbar. „Das ist wirklich ganz dramatisch dort, die haben nichts mehr.“ Dennoch produziere das Weingut unter schwierigsten Bedingungen einen Wein-Jahrgang 2021. Der Spätburger von der Ahr wird im neuen Jahr auch in der Sonnenschein-Brennerei verkauft.

Seit 25 Jahren Brennerei-Mitarbeiterin: Anke Deisenroth beim Packen von bestellten Weihnachtspräsenten.
Seit 25 Jahren Brennerei-Mitarbeiterin: Anke Deisenroth beim Packen von bestellten Weihnachtspräsenten. © Jutta Bublies | Jutta Bublies

Sebastian Banhold freut sich, dass die Kunden der Traditionsbrennerei die Treue halten. „Das hilft uns enorm beim Neustart.“ Im ersten Stock des Gebäudes werden derzeit Präsente liebevoll per Hand verpackt, die Firmenkunden schon für die Weihnachtszeit in Auftrag gegeben haben. Gehen die Pakete etwa nach England, kümmert sich der Geschäftsführer sogar selbst um die Zollabwicklung.

Ruhrtal-Brauerei produziert 10.000 Liter Bier im Jahr - auch Weihnachtsbier

Zur Brennerei gehört auch die Ruhrtal-Brauerei, die jährlich 10.000 Liter Bier produziert - helles, dunkles, belgisches Weizen- und Saisonbier wie das Weihnachtsbier. Schon seit 2008 wird das Ruhrtaler gebraut. Der Name erinnert an die einstige „Ruhrtal Brauerei Fr. Brinkmann“ in Herbede. Das im Herbeder Volksmund „Hopfentee“ genannte Erzeugnis ging per Bahn in alle Welt. 1920 wurde die Brauerei verkauft, die dann später ihren Betrieb einstellte.

Das heutige Ruhrtal-Bier kann man nicht einfach im Keller lagern. Denn es muss gekühlt werden. Dann kann man es drei Monate lang genießen. Das sogenannte Frischbier kommt vom Tank direkt in die Flasche, wird nicht gefiltert. So habe man den vollen Geschmack, versprechen die, die das Bier in Heven produzieren.