Witten. Einbrüche bei der Gewerbesteuer, ein deutlicher Anstieg bei den Ausgaben für die Jugendhilfe - was Wittens Kämmerer zur Haushaltssituation sagt.

Wie steht es um den städtischen Haushalt? Welche Herausforderungen gibt es? Wittens Kämmerer hat im Rat - nach einem Antrag der CDU-Fraktion - die aktuelle Finanzsituation skizziert. Matthias Kleinschmidt geht davon aus, „dass wir in diesem Jahr einen in Anführungsstrichen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen“.

Meint: Aufgrund der Pandemie dürfen NRW-Städte buchhalterische Rechentricks anwenden und Mindererträge und Mehraufwendungen, Millionen-Defizite, die in direktem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen, „isolieren“. Nach dem Motto: Gezahlt wird später. So wird es in diesem Jahr auch in Witten sein. Durch die Corona-Krise ist es zu hohen Einbrüchen bei der Gewerbesteuer gekommen. In diesem Jahr seien bislang Steuerbescheide in Höhe von 50 Millionen Euro herausgegangen, so Kleinschmidt. Dieser Betrag könne sich aber noch positiv wie negativ verändern. Die Geschäftsentwicklung bei den Unternehmen habe sich jedoch offenbar verbessert.

Stadt Witten muss Kredite wegen zu geringer Gewerbesteuer-Einnahmen aufnehmen

Wittens Kämmerer Matthias Kleinschmidt sprach im Rat auch über den „dynamischen Anstieg“ bei den Kosten für die Jugendhilfe.
Wittens Kämmerer Matthias Kleinschmidt sprach im Rat auch über den „dynamischen Anstieg“ bei den Kosten für die Jugendhilfe. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Vor der Pandemie habe Witten für das Jahr 2020 noch mit 59 Millionen Euro an Gewerbesteuern gerechnet. 35 Millionen Euro wurden es - ein gehöriger Einbruch. Für 2021 ist die Stadt - vor Corona - von Gewerbesteuern in Höhe von rund 61 Millionen Euro ausgegangen. Diesen Betrag werde man nicht erreichen, betonte der Kämmerer im Rat. „Es wird eine Lücke bleiben.“ Im vergangenen Jahr hatte die Stadt für die coronabedingten Verluste bei der Gewerbesteuer rund 17 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen von Land und Bund erhalten.

Insgesamt habe man die Verluste so zu etwa 80 Prozent ausgleichen können, sagte Matthias Kleinschmidt gegenüber unserer Redaktion. Er betont, dass mit einer solchen finanziellen Unterstützung durch Bund und Land für das laufende Jahr aber nicht zu rechnen sei, wohl auch im kommenden Jahr nicht. „Wir werden Kredite aufnehmen müssen.“

Jugendhilfe schlägt in diesem Jahr wohl mit knapp 29 Millionen Euro zu Buche

Sehr dynamisch steige auf der Ausgabenseite der Posten „Jugendhilfe“. Gründe seien unter anderem, dass bestimmte Maßnahmen in Corona-Zeiten länger liefen, dass es mehr Fälle gebe, um die man sich städtischerseits kümmern müsse. Der Kämmerer schätzt den durch Corona verursachten „finanziellen Mehraufwand“ in diesem Jahr auf etwa zwei Millionen Euro. Insgesamt geht er für 2021 von Ausgaben für die Jugendhilfe in Höhe von knapp 29 Millionen Euro aus.

Beim Posten Vergnügungssteuer fehlten in diesem Jahr bislang rund 50 Prozent der Einnahmen. Das mache rund 900.000 Euro aus. „Wenn niemand Geld in Automaten werfen kann, weil Betriebe in der Pandemie geschlossen waren, gibt es keine Vergnügungssteuer.“ Auch dies tue den städtischen Finanzen weh. Mit 4,5 bis fünf Millionen Euro beziffert die Stadt die Hochwasserschäden. Denn „Tief Bernd“ hat im Juli auch Schäden an öffentlichen Gebäuden, Straßen, Wegen und Plätzen verursacht. Kleinschmidt geht davon aus, dass die Kosten von Bund und Land übernommen werden.

Bei den Flüchtlingskosten sieht der Kämmerer Land und Bund in der Pflicht

Kämmerer setzt auf die Erholung der Wirtschaft

Der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“, der Ende des Jahres ausläuft, wurde im Dezember 2011 vom NRW-Landtag beschlossen. Für überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Kommunen werden Konsolidierungshilfen zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug müssen Städte und Gemeinden einen klaren Sanierungskurs einschlagen. In der CDU-Anfrage an die Wittener Verwaltung wurde die Frage gestellt, wie die Stadt zusätzliche Einnahmequellen erschließen könne, ohne die kommunalen Steuern zu erhöhen. Der Kämmerer gestand im Rat, dass er in dieser Frage etwas ratlos sei. Matthias Kleinschmidt setzt darauf, dass sich die Wirtschaft nach den massiven Beeinträchtigungen durch die Corona-Krise wieder stabilisiert und dementsprechend Einkommens-, Grund- und Gewerbesteuern fließen.

Im Rat kam der Kämmerer auch auf das Thema Flüchtlinge zu sprechen. Er rechnet damit, dass die Stadt für Asylbewerber und geduldete Geflüchtete in diesem Jahr etwa fünf Millionen Euro ausgibt. Das Geld habe alleine die Kommune aufzubringen. „Das kann nicht sein“, sagte Matthias Kleinschmidt gegenüber der Redaktion, der der Ansicht ist, dass diese Kosten komplett von Land und Bund übernommen werden müssten. Seit 2016 sei hier insgesamt schon ein Betrag von rund 30 Millionen Euro für die Stadt angefallen.

Ende des Jahres läuft der Stärkungspakt des Landes für überschuldete Städte und Gemeinden in NRW aus. 2022 werde das Haushaltssicherungsverfahren kommen, betonte Kleinschmidt im Stadtparlament. Spätestens vor Beginn der Herbstferien im Oktober werde ein Einzelhaushalt für 2022 vorgelegt.