Witten. In Dortmund starb jetzt eine Schwangere (25) an Corona. Eine Impfung hätte sie retten können, sagt ihr Arzt. Das raten die Wittener Frauenärzte.

Einen flammenden Appell sich gegen Corona impfen zu lassen, hat der Chef der Dortmunder Frauenklinik in dieser Woche an alle Schwangeren gerichtet. Anlass war der Fall einer ungeimpften 25-Jährigen ohne Vorerkrankungen, die vor einer Woche in Dortmund an einer Covid-Infektion verstorben ist. Doch die Impfung ist nicht unumstritten. Was raten die Frauenärztinnen und Frauenärzte in Witten ihren Patientinnen?

Prof. Dr. Sven Schiermeier von Marienhospital Witten spricht von einem erhöhten Risiko für ungeimpfte Schwangere.
Prof. Dr. Sven Schiermeier von Marienhospital Witten spricht von einem erhöhten Risiko für ungeimpfte Schwangere. © Unbekannt | Martin Leclaire

„Bei einer Impfung müssen mögliche negative gegen positive Effekte immer individuell abgewogen werden“, sagt Prof. Dr. Sven Schiermeier, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Marienhospitals. Ob eine Impfung sinnvoll ist, sei individuell unterschiedlich und sollte daher mit dem behandelnden niedergelassenen Gynäkologen besprochen werden, rät er.

Aber: Laut Studien erhöhe sich mit einer Schwangerschaft jedoch das Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion und davon abhängig auch die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt, so der Chefarzt. Zudem steige die Gefahr, Thrombosen oder hohen Blutdruck zu bekommen, und „auch bei einer Covid-19-Infektion ohne Symptome erhöht sich das Risiko für eine Schwangerschaftsvergiftung.“

Wittener Chefarzt nennt alarmierende Zahlen

Prof. Dr. Thomas Schwenzer von der Dortmunder Frauenklinik rät Schwangeren dringend zur Impfung
Prof. Dr. Thomas Schwenzer von der Dortmunder Frauenklinik rät Schwangeren dringend zur Impfung © Knut Vahlensieck | Knut Vahlensieck

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Schiermeier nennt alarmierende Zahlen: Schwangere hätten laut Studien im Vergleich zu gleichaltrigen nicht schwangeren Frauen eine sechsfach höhere Wahrscheinlichkeit, wegen Corona auf der Intensivstation zu liegen, die Wahrscheinlichkeit einer Beatmung steige um das 23-fache, die Sterblichkeit gar um das 26-fache. Im Wittener Marienhospital habe bisher aber keine Schwangere mit schwerem Corona-Verlauf behandelt werden müssen.

Was auch für die Impfung spricht: „In Studien konnten bisher keine Komplikationen bei Mutter und Kind nach einer Covid-19-Impfung während der Schwangerschaft nachgewiesen werden“, sagt der Mediziner. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfehle die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Schiermeier: „Wir richten uns bei Empfehlungen nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften und dem Robert-Koch-Institut.“

Risiko für eine ungeimpfte Schwangere steige enorm

Auch die meisten Frauenärztinnen in Witten setzen auf den Rat ihrer Fachgesellschaft und raten ihren Patientinnen daher zur Impfung. Das hat eine Nachfrage der Redaktion ergeben. „Ich würde den Appell des Dortmunder Chefarztes zu 100 Prozent unterschreiben“, sagt etwa Annette Hagemeister, die zusammen mit Marina Idris und Hildegard Iwe eine Praxis in der Ruhrstraße betreibt. Die Gefahr für einen schweren Verlauf steige bei ungeimpften Schwangeren enorm, vor allem wenn weitere Risikofaktoren hinzukämen. „Und dann hat eine junge Frau ruckzuck die gleiche Wahrscheinlichkeit beatmet werden zu müssen wie ein über 70-Jähriger.“

Annette Hagemeister stimmt dem Impf-Aufruf hundertprozentig zu. Sie sagt: „Jede Impfung zählt.“
Annette Hagemeister stimmt dem Impf-Aufruf hundertprozentig zu. Sie sagt: „Jede Impfung zählt.“ © Unbekannt | Hagemeister

Von einem großen Corona-Risiko für Schwangere sprechen auch Bärbel von der Haar, die in der Praxis für Pränataldiagnostik von Elke Jacobi arbeitet sowie Dr. Nicole Benecke von der Praxis Risse & Benecke in der Ruhrstraße. Vor vier Wochen habe die Situation noch anders ausgesehen. „Da hatten wir die Infektionslage noch im Griff. Aber jetzt sind die jungen Leute dran“, so Benecke. Schwangere müssten jetzt schnell den Impfschutz erhalten, abwarten sei gefährlich. Der Nutzen überwiege: „Und schließlich wird die Impfung Schwangeren auch gegen Grippe empfohlen – da sollten wir jetzt ähnlich ansetzen.“

Impf-Kritiker sprechen von ungenügender Datenlage

Die Angst vor Nebenwirkungen vor den Wirkstoffen von Biontech und Moderna schwindet. Annette Hagemeister erlebt in ihrer Praxis jetzt vermehrt, dass selbst eher impfkritische Hebammen wegen der Sorge vor schweren Verläufen inzwischen zur Impfung raten. Den Einwand, dass die Datenlage über die Impfungen bei Schwangeren bislang nicht ausreichend sei, lässt sie so nicht gelten. „Wir haben die Zahlen aus den USA, die von Anfang an Schwangere geimpft haben. Auf diese Daten können wir uns berufen.“

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Kolleginnen, die jetzt nicht impfen wollten, hätten wohl eher ein generelles Problem damit, vermutet Hagemeister, und würden auch beim Schutz vor Keuchhusten oder Gebärmutterhalskrebs abwinken. Sie kann das nicht verstehen: „Impfungen haben so viel Gutes bewirkt – und jetzt zählt jede einzelne.“