Witten. Nach dem Hochwasser in Witten warnt ein Experte: Die geplante neue Herbeder Ruhrbrücke könnte die Fließrichtung bei Flut negativ beeinflussen.
Vier Wochen ist es her, dass die Ruhr in Witten nach dem Starkregen Häuser In der Lake, am Alten Fährweg und an der Herbeder Straße flutete. Der Geologe Wolfgang Brozio sagt, die Auswirkungen des Hochwassers dürften verstärkt worden sein: In einem alten Flussbett, das die Ruhr als Überschwemmungsgebiet nutzt, befinden sich Hindernisse, die den Abfluss hemmten. Wildwuchs wie Bärenklau, eine Aufschüttung nahe des Golfclubs, einen erhöhter Fußweg, Hecken und Zäune sind allesamt quer zur Fließrichtung angelegt. Auch die neue Ruhrbrücke könnte an ihrem geplanten Standort künftige Hochwasser verschlimmern.
Wolfgang Brozio hat bis zu seiner Pensionierung zunächst als Gutachter, später bei einer Behörde im Umwelt- und Planungsbereich gearbeitet. Mit diesem Fachwissen im Hinterkopf und auf Wunsch von Anwohnern hat er sich die Pläne für die neue Ruhrbrücke zwischen Herbede und Heven angesehen. Die Juli-Flut sieht er als Warnsignal, die Hochwassersituation bei der Positionierung der neuen Brücke mit zu bedenken.
Starker Eingriff in die Natur des Ruhrtals
Nach dem Protest des Herbeder Arbeitskreises Brücken und einem Machtwort von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst plant Straßen NRW, eine neue Brücke parallel zur jetzigen errichten und erst später den alten Bau abzureißen. So kann eine lange Vollsperrung vermieden werden. Dabei dürfte das zu rodende Baufeld mindestens 70 bis 80 m breit werden, schätzt Wolfgang Brozio. „Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie viele Bäume für den Bau fallen werden und wie sich das gewohnte Landschaftsbild dadurch verändern wird.“
400 Jahre alte Linde müsste gefällt werden
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Seit Errichtung der Ruhrbrücken vor etwa 90 Jahren hat sich links und rechts der Pfeiler ein dichter Baumbestand entwickelt. Man sieht hohe Weiden, Kastanien, Eschen, aber auch eine imposante Linde mit einem Stammumfang von etwa sechs Metern. „Diese Linde ist etwa 400 Jahre alt.“ Für die Nordvariante müsste der Baum gefällt werden. Der Wittener verweist auch auf die Tierwelt: Eisvögel brüten in den Steilufern. Zwergfledermäuse nisten im Brückengemäuer und den alten Bäumen.
Pfeiler der neuen Brücke stünden im alten Flussbett
Bei der Parallelbrücke, wie diese in der Machbarkeitsstudie dargestellt ist, sieht er die Lage der künftigen Brückenpfeiler kritisch. Sie stünden dann ziemlich mittig und quer im vom Hochwasser genutzten Bett, das die Ruhr bis 1486 benutzt hat. Man kann es heute noch erkennen: Es ist die Mulde, die zwischen Herbeder Straße und der Bebauung In der Lake verläuft. In der Hochwassergefahrenkarte der Bezirksregierung ist dieses Wiesengelände als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen. Bis vor einigen Jahren, so Wolfgang Brozio, sei die Mulde von Hindernissen frei gehalten worden. Sie sei gemäht oder Schafherden hätten den Bewuchs samt Bärenklau entfernt.
Rundgang am Sonntag
Interessierten möchte Wolfgang Brozio gern die Lage vor Ort erklären und bietet am Sonntag (15.8.), 14 Uhr, einen Rundgang an. Dieser führt über die Ruhrbrücke zur Von-Elverfeldt-Allee, der Lakebrücke und zur Siedlung In der Lake.
Treffpunkt ist am Brückenkopf am Ende der Straße In der Lake (nahe Restaurant Picasso). Parkmöglichkeiten gibt es auf dem großen Parkplatz, der von der Seestraße abzweigt.
Das alte Flussbett trifft auf Höhe des Golfplatzes wieder auf die Ruhr. In diesen Abfluss würden die Pfeiler der parallel verlaufenden Ruhrbrücke gebaut. Ablaufendem Hochwasser würde der Weg versperrt und in Richtung der Häuser gelenkt. Bereits im Juli beobachteten dies einige Anwohner In der Lake. „Das Wasser kam aus der falschen Richtung.“ Es floss nicht längs der Siedlung, sondern quer und über die Straße.
Planungsleiter Thomas Schittkowski betont, dass Straßen NRW im Rahmen der Planung zusammen mit den Naturschutzbehörden einen Fachbeitrag erstellen wird – dazu sei man verpflichtet. Außerdem sei die Brücke auch durch die Obere und Untere Wasserbehörde wasserrechtlich zu genehmigen. Schließlich ist geplanter Baubeginn erst 2024.