Witten. Das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“ startet in Witten. In der Bahnhofstraße wartet eine mietfreie WG auf junge Leute. Wer darf einziehen?

Die Wittenerin Christine Bleks hat 2014 bundesweit für Furore gesorgt: mit ihrem Sozialprojekt „Tausche Bildung für Wohnen“. Der Verein stellt in benachteiligten Stadtteilen wie Duisburg-Marxloh oder Gelsenkirchen-Ückendorf mietfreien Wohnraum für engagierte junge Erwachsene zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichten sich diese, sich um arme Kinder zu kümmern und zum Beispiel Nachhilfe zu geben. Im August startet das Projekt in Witten.

Gesucht werden noch Teilnehmer und Kinder – die Wohnung aber gibt es schon. In den beiden Häuser an der Bahnhofstraße 11 bis 13, in dem sich das Café Leye und „Blumen Risse“ befinden, wird zurzeit eine Wohnung zur WG umgebaut. Im Nachbarhaus entsteht eine „Tauschbar“. Das ist der Ort, der den Kindern ein zweites Zuhause sein soll. In dieser Wohnung wird gemeinsam gelernt und getobt. „Es entsteht auch ein Bewegungsraum, denn die jungen Leute sollen den Kindern ja auch Dinge wie gesunde Ernährung oder Bewegung vermitteln“, sagt Lisa-Marie Wagner. Seit einem Monat ist sie beim Verein angestellt und leitet den Standort Witten.

Projekt für Kinder von 1. bis 7. Klasse

Bis das Projekt ganz praktisch läuft, wartet noch viel Arbeit auf sie. Es fehlen die Kinder. „Aber in den Schulen, die vom Standort Bahnhofstraße aus fußläufig zu erreichen sind, werden wir sehr dankbar und mit offenen Armen empfangen“, sagt Wagner. Witten sei zwar kein benachteiligter Standort wie Marxloh oder Ückendorf. „Aber wir haben schon den Eindruck, dass es in den umliegenden Schulen genug Kinder gibt, denen dieses Projekt gut täte.“

Ins Projekt aufgenommen werden Kinder von der ersten bis zur siebten Klasse. Jeweils ein Bildungspate kümmert sich um eine kleine Lerngruppe aus etwa vier Kindern. Nach der Schule kommen diese in die „Tauschbar“, wo dann gemeinsam gepaukt oder gespielt wird.

Win-Win-Situation für Kinder und junge Erwachsene

In Witten sei es relativ schwierig gewesen, geeigneten Wohnraum zu finden, weiß Wagner. Die jetzige Lösung kam über eine Kooperation mit der „Projektfabrik“ zustande, die ebenfalls in dem Gebäude sitzt.

„Tausche Bildung für Wohnen“ finanziert sich durch Stiftungs- und Bundesgelder. Das Projekt hat aber auch mehrere Preise abgeräumt. 2012 gewannen die beiden Gründer Christine Bleks und Mustafa Tazeoglu einen Wettbewerb für Sozialunternehmen. Sie kassierten nicht nur ein Preisgeld von 40.000 Euro, sondern gewannen auch eine Gründerberatung – der Grundstock für ihre Arbeit. Ihr Grundgedanke ist eine Win-Win-Situation. In Marxloh, wo seit 2014 90 Kinder pro Schuljahr betreut werden, hat sich der Erfolg bereits gezeigt: Die angehenden Akademiker können günstig wohnen, das Bildungsniveau der Kinder (meist ist es der Nachwuchs von Hartz-IV-Empfängern) verbessert sich.

Vier Anmeldungen liegen schon vor

Hier kann man sich bewerben

Aktuell werden für den Einsatzzeitraum vom 16.8.2021 bis 15.8.2022 junge Erwachsene gesucht. Entweder können sie sich im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) oder Freien Sozialen Jahres (FSJ) für benachteiligte Kinder engagieren. Dafür erhalten sie ein mietfreies Zimmer in der WG in der Bahnhofstraße. Auch Studierende oder Auszubildende sowie Ehrenamtler sind herzlich willkommen.

Alle Teilnehmer bekommen zudem eine zweiwöchige Qualifizierung, sowie alltägliche Begleitung und Unterstützung vom Standortteam. Weitere Informationen und Bewerbung: www.tauschebildung.org.

Für Witten haben sich bereits vier junge Leute angemeldet, darunter ein junger Mann mit türkischem Hintergrund und eine Studentin, sagt Lisa-Marie Wagner. „Es dürfen aber gerne noch mehr sein.“ Besonders beliebt ist „Tausche Bildung für Wohnen“ übrigens bei jungen Menschen, die das Jahr nach dem Schulabschluss nutzen. Oft, weil sie noch nicht recht wissen, was sie einmal machen möchten. Die tagtägliche Arbeit mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religionszugehörigkeit oder kultureller Prägung, so Marie Angerer, Standortleiterin in Gelsenkirchen, „schafft dabei beste Voraussetzungen für den weiteren persönlichen und beruflichen Werdegang“.