Witten. Im Karmelitinnenkloster Auf der Klippe sind auch weibliche Gäste willkommen. Aber das Morgenlob beginnt um 5.45 Uhr.
Auf der Klippe in Annen steht ein Kloster. Es ist ein Karmelitinnenkloster, und das bedeutet: Einsamkeit. Doch die Ordensfrauen sind auch von dieser Welt: In vier Gästezimmern wird gern für einige Tage Besuch empfangen. Die Welt zu Gast in der Stille.
Man darf nur einen Fehler nicht machen, und der wäre: Ein paar Tage als Besucherin im Kloster zu leben mit „Faulenzen” zu übersetzen. Faulenzen kann man zu Hause. Im Karmelitinnenkloster „Maria Vermittlerin aller Gnaden” kann man vor allem beten. Um 5.45 Uhr die Laudes, das Morgenlob der Kirche. Daran schließt sich eine Stunde inneres Beten und darauf das nächste Stundengebet, die Terz, an. Es folgt um 7.30 Uhr eine heilige Messe. Dann, und erst dann, gibt es Frühstück.
Das Angebot mit den Gästezimmern ist vom Kloster nach einer längeren Pause in diesem Jahr wieder aufgenommen worden, und erste Besucher waren schon da. „Wir hatten vor einiger Zeit eine Studentin zu Gast, die für eine Woche zu uns gekommen ist”, sagt Schwester Anna-Maria (51), die Priorin des Klosters. „Sie hat gerade das Morgengebet so sehr geliebt. Es war für sie ein großes Erlebnis, sich dem aufgehenden Licht zu öffnen.”
Die Gäste des Klosters leben nicht mit den Schwestern in der Klausur, denn der Karmelitinnenorden ist von den Wurzeln her ein Einsiedlerorden. Abgeschiedenheit und einfache Lebensweise bestimmen das Ordensleben, dessen Schwerpunkt das Gebet ist. Schwester Anna-Maria: „Wir leben einen Ausgleich zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft. Die Einsamkeit ist von den Schwestern ja auch gewünscht. Doch abends haben wir schon eine Zeit, in der wir uns auch austauschen.”
Einsamkeit ist nicht Rückzug. Denn die Priorin sieht das Gebet nicht nur als kontemplative, sondern auch als soziale Aufgabe. „Wir leben nicht nur für uns, sondern sind auch offen für die Menschen, deren Nöte wir vor Gott tragen. Das ist unser Dienst.” Und dass das Gebet einen Empfänger hat, dass da wirklich jemand ist, zu dem das Gebet dringt, für die Schwestern steht das außer Zweifel. „Beten ist die Begegnung mit einem Freund, von dem ich weiß, dass er mich liebt”, zitiert Schwester Anna-Maria die heilige Therese von Lisieux. „Diese Beziehung zu leben, das ist uns wichtig.”
Wer damit etwas anfangen kann, der findet oben Auf der Klippe vier Gästezimmer vor. Um es gleich zu sagen: Sie sind gemütlicher eingerichtet als die Zellen der Ordensfrauen und, das sei zum Lob des Wittener Karmels ausdrücklich gesagt, auch gemütlicher als so manche andere Kloster-Gästehäuser. Zweckmäßig sind sie selbstverständlich: Ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch mit einem Bild der heiligen Therese, ein bequemer Sessel und ein Kreuz an der Wand. Auch ein Telefon ist vorhanden, aber kein Fernseher. Denn bei allem Komfort wollen wir ja nicht vergessen: Wir sind in einem Kloster. Bezahlt wird für den Aufenthalt, was jede Besucherin - es werden nur Frauen beherbergt - geben kann. Die Studentin zahlt weniger als die Managerin, jede nach ihren Möglichkeiten.
„Manche bleiben drei, manche acht Tage”, sagt Schwester Anna-Maria, die die Grenze bei 14 Tagen ansetzt. Exerzitien bietet die Gemeinschaft in Witten nicht an, doch außerhalb der Gebetszeiten steht die Priorin auch für Gespräche zur Verfügung. Da kann es um sehr persönliche Dinge gehen, Lebensfragen ebenso wie Orientierung, „und wenn ich merke, es steht ein ernstes Interesse am Ordensleben dahinter, darf der Gast wiederkommen und für drei Monate in Zivil mit uns in der Klausur leben.”
Auch im Arbeitsbereich, in der Hostienbäckerei etwa, mit der die Schwestern hauptsächlich ihren Lebensunterhalt verdienen, in der Küche, im großen Obstgarten („letztes Jahr hatten wir über 1000 Liter Apfelsaft”) oder, man ahnt ja nicht, was es in Witten alles gibt, im kleinen Weinberg. „Auf der Klippe” heißt ja nicht zufällig so - „wir haben einen Südhang, an dem gute Trauben wachsen”.
Die Gäste aber dürfen während der Arbeitszeiten der Schwestern spazieren gehen oder in der Klosterkirche beten. „Für uns ist es wichtig, dass Gäste Stille finden, zu sich kommen, Gott finden und gestärkt in den Alltag zurück gehen”, sagt Schwester Anna-Maria. Spürt jemand, so wie die Schwestern auch, diese innige Begegnung mit einem liebenden Freund, dann darf sie wiederkommen.
Und vielleicht für immer bleiben.