Witten. Corona-Hilfen sind 2020 auch nach Witten geflossen. So wurde der Verlust bei den Gewerbesteuern aufgefangen. Aber wie sieht es künftig damit aus?

Dank Sonderhilfen und der Isolierung von Millionendefiziten im Haushalt ist Witten ganz gut durch das erste Corona-Jahr 2020 gekommen – zumindest aus Sicht des Kämmerers. Er beurteilt die aktuelle und künftige Finanzsituation trotz der derzeit entspannten Pandemielage aber weniger zuversichtlich.

„Formal“ weise der Jahresabschluss 2020 zwar ein Plus von 1,6 Millionen Euro aus, sagte Matthias Kleinschmidt in der letzten Sitzung des Rates vor der Sommerpause. „Nüchtern betrachtet“ stehe unterm Strich aber ein Minus von 8,3 Millionen. Der errechnete Überschuss ist keine Zauberei, aber ein bisschen Tricksen war doch im Spiel. Wegen Corona ist es den Städten erlaubt, solche Millionen-Defizite zu „isolieren“, nach dem Motto: Gezahlt wird später. So wird es auch in diesem Jahr noch sein.

Allein bei der Gewerbesteuer fehlten Witten im Vorjahr 24 Millionen Euro

Die buchhalterischen Verschiebungen auf einen Zeitraum von 50 Jahren haben ihren guten Grund, sind Kommunen wie Witten pandemiebedingt doch Millioneneinnahmen weggebrochen. Allein bei der Gewerbesteuer, eine der wichtigsten Quellen, fehlten im Vorjahr 24 Millionen Euro. Es gab Sonderhilfen in Höhe von 3,9 Millionen Euro und weitere 17,5 Millionen konnten durch tatsächliche Ausgleichszahlungen bei der Gewerbesteuer kompensiert werden. „Das sehen wir bis heute für 2021 nicht“, sagt der Kämmerer. Es sei keine Hilfe des Bundes in Sicht, obwohl die Entwicklung weiterhin negativ ausfalle. Nur das Corona-Isolationsgesetz werde fortgesetzt.

Kämmerer Matthias Kleinschmidt konnte das Haushaltsjahr 2020 „formal“ in Witten mit einem Überschuss abschließen.
Kämmerer Matthias Kleinschmidt konnte das Haushaltsjahr 2020 „formal“ in Witten mit einem Überschuss abschließen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Die Kosten fürs vorhandene städtische Personal blieben mit rund 1,4 Millionen unter dem Ansatz. Was Kleinschmidt allerdings auch damit erklärt, „dass wir viele Stellen nicht besetzt bekommen haben“. Positiv hob er die „Bauinvestitionen“ hervor. Nach neun Millionen Euro im Jahr 2019 lagen sie für 2020 bei fast 20 Millionen. Knapp vier flossen in laufende Maßnahmen an Schulen, fast sechs in die Rathaussanierung, 6,6 in die Pferdebachstraße.

Fazit des Kämmerers: Die Ertragslage für dieses Jahr (2021) hat sich zum 30. Juni nicht verbessert. Es gebe aber auch keine nennenswerten Verschlechterungen. Jugendhilfe und Kita blieben ein Dauerthema und bei der Flüchtlingshilfe sei kein „guter Kompromiss“ herausgekommen. Für nächstes Jahr, also 2022, sehe er „keine Kompensation“. Es sei ein normales Haushaltsjahr zu erwarten.

Auf zehn Jahre betrachtet, müsse die Überschuldung von 140 Millionen Euro abgebaut sein. Gemeint sind Fehlbeträge,, die nicht nur das städtische Vermögen gedeckt sind. „Wir werden nicht zahlungsunfähig. Aber der Bürger muss zum zweiten Mal für die Infrastruktur der Stadt bezahlen.“ Soll heißen: Bei Steuern und Gebühren ist keine Senkung in Sicht. Der Kämmerer rechnet auch nicht damit, dass die Städte bei ihren Altschulden entlastet werden. „Sie werden bei den Kommunen gelassen“, sagt Kleinschmidt ernüchtert, nachdem es erst so schien, als würden Bund und Land in die Bresche springe

Mit Blick auf das Haushaltssicherungskonzept 2022 appelliert er an die Politik: „Wir müssen auch sagen, was wir nach hinten schieben.“ Es dürfe nicht nur Prioritäten geben. „Ob Menstruationsartikel, Kita oder was auch immer, streichen Sie das Wort „kostenlos“, sagte der Kämmerer.