Witten. Viele Lehrer in Witten fühlen sich in der Krise als Spielball der Politik. Doch auf der Strecke bleiben vor allem die Schüler. Was ihnen fehlt.

Die Pandemie hat auch die Schulen hart getroffen. Präsenz-, Distanz- oder Wechselunterricht? Das ständige Hin und Her nervt Eltern und Lehrer in Witten gewaltig. Sie sind unzufrieden mit den Maßnahmen in den Schulen, kritisieren fehlende Strukturen. Das hat die Auswertung unseres Corona-Checks ergeben.

„Wie bewerten Sie die für Schulen bislang getroffenen Maßnahmen in der Corona-Krise?“ lautete die Frage zu diesem Themenkomplex. Auf einer Skala von 1 (zu hart) bis 5 (nicht ausreichend) lagen die Antworten bei einem Wert von 3,41. Damit lag Witten allerdings unter dem Durchschnitt (3,52) der anderen befragten Städte im Ruhrgebiet, denen die Situation offenbar noch mehr aufstößt.

Wittener Grundschullehrerin: Fühle mich wie ein Spielball

Aus Sicht der befragten Frauen waren die Maßnahmen zwar grundsätzlich auch nicht ausreichend, doch tendiert der Wert mit 3,38 etwas nach unten. Etwas anders urteilten die Männer: Ihre Bewertung erreichte einen Durchschnittswert von 3,46. Sie finden also, dass deutlich mehr nötig gewesen wäre, um einigermaßen gut durch die Pandemie zu kommen.

Jüngere bis 40 Jahre finden, dass die an den Schulen eingeführten Regeln eher zu hart ausgefallen sind (Mittelwert: 3,19). Menschen zwischen 41 und 60 Jahren sehen das etwas anders, hier liegt der Durchschnittswert bei 3,29. Geht es nach Wittenerinnen und Wittenern über 60 Jahre, dann wurde überhaupt nicht genug getan, um die Schulen durch die Krise zu bringen. Hier lag der Wert bei 3,74.

Viele nutzten die Möglichkeit bei unserer Umfrage, nicht nur einen Wert anzugeben, sondern ihre Kritik ausführlicher zu äußern. So mancher redete sich hier offenbar seinen Frust von der Seele. So erklärt eine Grundschullehrerin: „Ich fühle mich seit einem Jahr hin und her geworfen wie ein Spielball.“ Sie beschreibt die kurzfristige Informationspolitik: „Freitags kommt die Schulmail, wie es am Montag oder spätestens Mittwoch weitergeht. Vor den Ferien wird gerne noch für 14 Tage ein neues Konzept gefahren.“ Und weiter: „Wir hatten mehrmals nach geänderten Vorgaben alles akribisch organisiert und mussten es wieder verwerfen.“

Viele Lehrerinnen und Lehrer hätten im Lockdown ihre Arbeit gewissenhaft erledigt und oft mehr Stunden gearbeitet als sonst. „Ich hätte mir deshalb ein bisschen mehr Anerkennung für unseren Beruf gewünscht“, beschreibt ein anderer Teilnehmer seine Empfindungen.

Homeschooling hat viele Familien in der Pandemie sehr belastet.
Homeschooling hat viele Familien in der Pandemie sehr belastet. © dpa | Stefan Puchner

Die schleppende Digitalisierung, ständig wechselnde oder unlogische Regelungen, zu wenige kreative und individuelle Lösungsansätze, aber auch fehlende Luftfilteranlagen und Schnelltests sowie nicht zuletzt das anstrengende Homeschooling – das sind weitere Kritikpunkte. Viele äußern die Sorge, dass dabei die Kinder – vor allem Grundschüler – auf der Strecke bleiben. Auf ihre echten Bedürfnisse werde viel zu wenig eingegangen. „Das gesamte Schuljahr muss eigentlich wiederholt werden“, so das Fazit eines Teilnehmers.

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Das geht Susanne Daum dann doch etwas zu weit. Aber, sagt Wittens Grundschulsprecherin, „der komplette Lehrplan konnte keinesfalls eingehalten werden“. Einige Schulen hätten tatsächlich viele Kinder auf dem Weg durch die Pandemie verloren, hauptsächlich jene, wo es Sprachbarrieren in den Familien und ungünstige Wohnsituationen gibt.

Ab Montag wieder Präsenzunterricht

An diesem Montag (31.5.) kehren alle Schulen in den täglichen Präsenzunterricht zurück. „Darauf freuen wir uns alle“, sagt Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule und Sprecherin aller Wittener Grundschulen. Mit den regelmäßigen Lolli-Tests,die zwei Mal pro Woche stattfinden, sei das gut machbar.

Catherin Brand, Elternvertreterin am Ruhr-Gymnasium, hält die komplette Öffnung vor den Sommerferien nicht für angebracht – aus Sicherheitsgründen. Vor allem die drangvolle Enge in den Schulbussen halte sie nach wie vor für zu riskant.

Daum verweist außerdem auf die spezielle Lage der im vergangenen Jahr eingeschulten Erstklässler. „Die haben das, was Schule noch ausmacht, bisher gar nicht kennengelernt: Schulfeste, Projektwochen, Gruppenarbeit, Ausflüge – das alles fand und findet nicht statt. „Ich vermute und befürchte, dass ein großer Teil der Eltern die mögliche Verlängerung der Schuleingangsphase von zwei auf drei Jahre beantragen wird.“

„Am schlimmsten hat es Erstklässler, Fünftklässler und die Abschlussklassen getroffen“, sagt auch Catherin Brand, deren Sohn im kommenden Jahr am Ruhr-Gymnasium sein Abi machen wird. Ein halbes Jahr sei seine Stufe im Rückstand, was den Lernstoff angeht, schätzt die Mutter – obwohl die Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel aufzufangen versucht habe. Inzwischen werde sogar an „Aufholstrategien“ gearbeitet.

Doch das sei gar nicht mal das Hauptproblem. Catherin Brand: „Es sind die Sozialkontakte, die fehlen. Die Kinder haben seit Beginn der Krise den Klassenverband und ihre Lehrer kaum live erlebt.“