Witten. Momentan ist der Feldhasen-Nachwuchs besonders gefährdet. Eine Wittenerin päppelt die Tiere auf. Was man tun sollte, wenn man einen Hasen findet.
Andrea Siegmund hat ein Herz für Tiere – ganz besonders für solche mit langen Ohren und flauschigem Fell. Bei sich zuhause in Bommern päppelt die Wittenerin seit sechs Jahren regelmäßig Feldhasen-Babys auf. „Denn ich finde diese Tiere besonders schützenswert“, sagt die 47-Jährige. „Da sind ganz tolle Geschöpfe, richtige Charaktertiere.“ Deutschlandweit gibt es immer weniger Feldhasen, seit 2009 stehen sie auf der Roten Liste gefährdeter Arten.
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Aktuell wohnen acht kleine Hasenkinder bei Andrea Siegmund in einem extra dafür eingerichteten Zimmer. Sie sind zwischen zwei und vier Wochen alt. Sobald die Tier groß und stark genug sind, kommen sie in ein geräumiges Gehege im Garten, um sie darauf vorzubereiten, bald wieder in der freien Natur zu leben. Gefüttert werden die putzigen Tierkinder bis dahin aber mit einem Fläschchen in der Küche.
Feldhasen-Nachwuchs ist von Januar bis März besonders gefährdet
Vierbeinige Pflegekinder hat Siegmund das ganze Jahr hindurch. Aber in den ersten drei Monaten des Jahres ist der Feldhasen-Nachwuchs ganz besonders gefährdet. „95 Prozent der Tiere, die von Januar bis März geboren werden, sterben. Nur fünf Prozent überleben.“ Insgesamt würden nur 25 Prozent der Junghasen ihr erstes Lebensjahr überleben.
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Das liege vor allem daran, dass Feldhasen generell Nässe nicht gut vertragen – besonders die Babys und Jungtiere. „So ein Tierchen wiegt bei der Geburt ja nur um die 100 Gramm“, sagt Siegmund. Feldhasen seien sehr anfällig für Lungenentzündungen, erläutert die Bommeranerin. Ihr sehr dichtes Fell trockne nur langsam.
Wittenerin päppelt schwache und verletzte Hasenkinder auf
Die Tiere, die sie aufpäppelt, findet Siegmund nicht selbst. Sie werden ihr etwa von der Feuerwehr, Tierarztpraxen, Privatpersonen oder auch von Jägern übergeben. Meist sind die Hasenkinder krank oder verletzt, unterkühlt, dehydriert, haben eine Gehirnerschütterung, Brüche oder Bisse.
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„Häufig sind die Menschen verunsichert, ob und wann sie einen Feldhasen mitnehmen sollten“, erzählt die Tierfreundin. Doch ein Tier, das augenscheinlich schwach ist oder gar durchnässt, sollte besser gesichert werden, sagt Siegmund. Gleiches gilt natürlich auch für verletzte Tiere, die etwa von einem Hund oder Katze gebissen oder von einem Auto angefahren wurden.
Feldhasen-Aufzucht erfordert viel Spezialwissen
So putzig sie auch sind, rät Andrea Siegmund Laien davon ab, die kleinen Hasen selbst aufziehen zu wollen. „Nicht jeder, der schon einmal einen Igel überwintert hat, kann auch für einen Feldhasen sorgen.“ So muss etwa beim Füttern der Kleinen besonders vorsichtig vorgegangen werden, damit sich die Häschen nicht verschlucken. Auch braucht es spezielle Medikamente für die Wildtiere. „Denn sie neigen zu Blähungen und Durchfall. Und sterben dann sehr schnell.“
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Bis die Feldhasen drei bis vier Monate alt sind, füttert Siegmund sie mit der Flasche mit spezieller Aufzuchtmilch. Am Anfang zweimal täglich, später nur noch einmal. „Es ist wirklich zeitintensiv, wenn man sich ordentlich kümmert“, sagt die technische Redakteurin. Sie selbst hat sich ihr Hasen-Wissen angelesen und sich von einem befreundeten Experten einweisen lassen. „Entweder macht man es 150-prozentig oder man lässt es. Ist man nachlässig, geht es auf Kosten der Tiere.“
Abschied fällt manchmal schwer
Bis die kleinen Hasen eineinhalb bis zwei Kilo wiegen, bleiben sie in der Obhut ihrer Pflegemutter. Dann sind die Tiere zwischen drei und fünf Monate alt – und waren teils ab ihrem zweiten Lebenstag bei Andrea Siegmund zuhause. Zeit genug, um eine Bindung aufzubauen. „Ich gebe allen einen Namen“, verrät die Tierschützerin. „Und ich kann sie auch als einzige voneinander unterscheiden.“
Fund beim zuständigen Jäger melden
Wer einen jungen Feldhasen findet und sich unsicher ist, was er tun soll, findet auf der Seite www.feldhasenhilfe.de viele Informationen und die Telefonnummern von Ansprechpartnern – so auch die von Andrea Siegmund.
Wer einen Feldhasen sichert, sollte das, um auf Nummer sicher zu gehen, dem zuständigen Jäger melden. Denn der Feldhase gilt trotz seiner Gefährdung als jagdbares Wild. Auskunft darüber, welcher Jäger jeweils zuständig ist, könne die Polizeileitstelle geben, so Siegmund.
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es zudem zulässig verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Sobald sie wieder überlebensfähig sind, müssen sie unverzüglich freigelassen werden.
Ihre Zöglinge dann in die freie Wildbahn zu entlassen, sei auch nicht immer einfach. „Es ist einerseits traurig, dass sie gehen – vor allem, weil man nicht weiß, ob sie es schaffen“, sagt Siegmund. „Aber zumindest habe ich ihnen eine Chance gegeben. Sonst wären sie wohl schon tot.“ Ein Tier bei sich zu behalten, sei ihr aber noch nie in den Sinn gekommen. „Feldhasen sind keine Haustiere, das wäre Tierquälerei.“
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