Witten. Seit dem Jahreswechsel können Fahrer von E-Autos ihre Akkus in Witten nicht mehr gratis aufladen. Das betrifft Stadtwerke-Kunden und Fremdtanker.
Sechs Jahre lang war das Stromtanken an den Ladesäulen der Stadtwerke Witten kostenlos. Jetzt sind diese Zeiten vorbei. Seit diesem Monat müssen die Fahrer von E-Autos für ihre Akkuladung zahlen. Dass das System zum Jahreswechsel umgestellt wurde, hat mehrere Gründe.
Zum einen gab es kein funktionierendes Bezahlsystem. "Das ist ein sehr komplexes Thema, das wir von Grund auf komplett aufbauen wollten", erklärt Sören Braun, Energieberater mit dem Schwerpunkt E-Mobilität bei den Stadtwerken. In Arbeitsgruppen sei seit 2019 an einem Modell gearbeitet worden, das einwandfrei funktionieren sollte. Letztes Jahr war es soweit. "Aber wegen der Mehrwertsteuersenkung und den damit verbundenen Änderungen bei der Abrechnung haben wir bis 2021 gewartet", sagt der 33-Jährige.
Thema E-Mobilität in Witten sollte gefördert werden
Zum anderen hätten die Stadtwerke die E-Mobilität in Witten mit dem kostenlosen Tanken fördern wollen. "Wir wollten das Thema in der Stadt voranbringen", so der Experte. Und das ist jetzt vorbei? "Nein, weil es immer mehr Fahrzeuge werden, müssen wir die Infrastruktur weiter ausbauen." An den Kosten müssten die Nutzer zwangsläufig irgendwann beteiligt werden. Braun: "Dieser Zeitpunkt war jetzt erreicht."
Ein Wittener, der seit zwei Jahren ein E-Auto fährt, bemängelt in einer Mail an die Redaktion, die Umstellung sei klammheimlich vollzogen worden. "So still und leise, das finde ich verwerflich", sagt der 63-Jährige. Die Klage weist Energieberater Sören Braun zurück. Alle Stadtwerkekunden mit einer Ladekarte seien Anfang November darüber informiert worden, dass das Tanken ab Januar kostenpflichtig wird. Mit dem Schreiben sei zugleich ein Link für die Beantragung der neuen, nötigen Ladekarte verschickt worden, es habe ein Gewinnspiel gegeben und eine Bonus-Aktion. Darüber hinaus habe man das Thema "nicht weiter kommuniziert, weil es ja eigentlich nur die Kunden mit unserer Ladekarte betrifft".
Fremdlader nutzten Abrechnungslücke in Witten
Eigentlich, denn: Auch Kunden anderer Stromanbieter konnten ihre Akkus bislang in Witten umsonst aufladen - allerdings ungeplant. Ursprünglich hätten sie schon seit 2018 zahlen sollen, es gab auch Tarife dafür. Aber die Abrechnung funktionierte nicht. "Diese technische Lücke hat sich rumgesprochen und einige Fahrer haben sie dann auch ausgenutzt", sagt Sören Braun. Die Lücke sei nun geschlossen worden - und die Fremdlader wurden von der Anpassung überrascht.
Bei den Tarifen für den Strom von der Tankstelle hätten sich die Stadtwerke Witten für einen "ordentlichen Durchschnittspreis" entschieden, erklärt der Energieberater. Stromkunden der Stadtwerke Witten zahlen mit ihrer Ladekarte 30 Cent pro Kilowattstunde, Nicht-Kunden 35 Cent an den Tanksäulen im Ladeverbund - das heißt an den Säulen der Stadtwerke Witten, Bochum und Gelsenwasser.
Bei der Ladekarte mit Roaming-Option - das heißt, der Kunde kann europaweit auch an anderen (Intercharge-)Säulen Strom tanken - kostet die Kilowattstunde 50 Cent, dazu kommt eine Grundgebühr von 5 Euro im Monat und 3 Cent pro getankte Minute. Das kann also deutlich teurer werden, aber: "Wir decken damit Nutzungsentgelte anderer Ladesäulenbetreiber ab, die wir zahlen müssen", erklärt Braun. Und: Auch mit Roaming-Karte bleibe es an den Säulen in Witten selbstverständlich bei dem günstigeren Tarif. "Das ist, als wenn Sie mit Ihrer EC-Karte bei ihrer heimischen Bank Geld abholen", erklärt der Experte.
Verschiedene Verbünde, Systeme, Tarife - nicht einfach, da die günstigste Ladesäule zu finden. Auch Sören Braun gibt zu: Für den Kunden sei es unübersichtlich, wo zu welchen Bedingungen Strom getankt werden könne. "Aber wir hoffen da auf die Politik, dass die entsprechenden Verordnungen bald überarbeitet werden, damit es endlich einheitliche Standards gibt."
>>> E-AUTOS UND LADESÄULEN IN WITTEN
13 Ladesäulen der Stadtwerke mit je zwei Ladepunkten gibt es derzeit in Witten, also 26 Ladestellen. Im Februar/März sollen drei weitere am Schwalbenweg / Ecke Sonnenschein, an der Herdecker Straße in Höhe des Freibads und am Parkplatz Bachstraße / Ecke Husemannstraße installiert werden. Planungen gibt es auch fürs Bebbelsdorf und die Uni. Nutzer können weitere Vorschläge auf der Seite Stadtwerkedrive machen.
Zum 1. Januar 2021 waren 648 E-Autos in Witten angemeldet - 302 davon sind Hybrid-Fahrzeuge. Das sei etwa ein Prozent des Fahrzeugbestands, so Energieberater Braun. "Aber die Zahlen steigen exponentiell." Seit Juni 2020 hätten sie sich in der Stadt praktisch verdoppelt. Und die Zahlen würden noch höher sein, wenn die Autohersteller nicht Lieferfristen von bis zu einem Jahr hätten. Braun ist sicher: "Wir stehen bei der E-Mobilität erst ganz am Anfang."