Witten. Wie kommen wir durch die Pandemie, ohne uns von Kontaktverbot und Lockdown herunterziehen zu lassen? Ein Psychotherapeut gibt Tipps.

„Corona“ – die meisten wollen diese Wort am liebsten wohl gar nicht mehr hören. Wann ist der Spuk endlich vorbei? Wann kehrt die Normalität zurück? Diese Fragen kann Ralf Jostes leider nicht beantworten. Aber der Psychologische Psychotherapeut aus Witten gibt Tipps, wie man es schaffen kann, sich von der Pandemie nicht unterkriegen zu lassen. Ein Allgemeinrezept gegen des Corona-Koller gibt es laut Ralf Jostes allerdings nicht. „Man muss individuell gucken: Worin liegt die Belastung? Was brauche ich eigentlich?“, sagt der 56-Jährige.

Dazu rät der Psychotherapeut aus Witten: Tipp 1: nicht zu viele Nachrichten gucken

Fühlt eine Person sich zum Beispiel unsicher, weil sie etwa Angst hat, sich selbst oder andere anzustecken. Oder weiß sie nicht, wie sie sich in der aktuellen Ausnahmesituation „richtig“ verhalten soll, dann hat Jostes einen Rat, der zunächst überraschen mag: Wenig Nachrichten gucken. „Information vermittelt nur vermeintliche Sicherheit“, so der Psychologische Psychotherapeut. Es genüge, sich ein- bis zweimal am Tag zu informieren. Die restliche Zeit solle man besser „vermeiden, was Angst erzeugt und Unsicherheiten vergrößert“.

Tipp 2: die technischen Möglichkeiten nutzen

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Doch es ist nicht nur die Unsicherheit, die die Menschen dieser Tage belastet. Auch das Gefühl, keinen Einfluss nehmen zu können, mache vielen zu schaffen, weiß Ralf Jostes. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Corona-Leugner, die offenbar versuchen, Kontrolle zurückzuerlangen und sich nicht mehr machtlos zu fühlen. Nicht zuletzt spiele aber auch die Angst vor Isolation in der Pandemie eine Rolle. Jostes regt an, ältere und technisch wenig affine Familienmitglieder zum Beispiel an die Videotelefonie heranzuführen. „Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir brauchen halt Kontakte“, sagt er.

Tipp 3: Termine planen, die ein positives Gefühl mit sich bringen

Die Pandemie böte in dieser Hinsicht auch Chancen. Man könne sich etwa mit Menschen in Verbindung setzen, zu denen lange kein Kontakt bestanden hat. Das schaffe eine neue und aufregende Situation, erklärt Jostes. Ohnehin sei es wichtig, sich gerade jetzt auf das Angenehme zu konzentrieren. Der Therapeut rät dazu, Strukturen zu schaffen und die Woche zu planen. Dabei solle der Fokus aber unbedingt auf Dingen liegen, „die ein positives Gefühl mit sich bringen. Nicht auf der nächste Steuererklärung.“

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Tipp 4: Liste schreiben „Was ich schon immer mal tun wollte

Ralf Jostes, Psychologischer Psychotherapeut in Witten, regt an, in der Pandemie auch eine Chance zu sehen und die Entschleunigung zu nutzen, um zum Beispiel wieder Kontakt zu alten Bekannten aufzunehmen oder ein Instrument zu lernen.
Ralf Jostes, Psychologischer Psychotherapeut in Witten, regt an, in der Pandemie auch eine Chance zu sehen und die Entschleunigung zu nutzen, um zum Beispiel wieder Kontakt zu alten Bekannten aufzunehmen oder ein Instrument zu lernen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Vielleicht sei gerade jetzt auch der richtige Zeitpunkt, um sich zu überlegen, was man immer schon mal tun wollte. Ein Instrument zu lernen zum Beispiel, eine fremde Sprache . . . Also: Schreiben Sie eine Liste, lautet Jostes’ Tipp. Lernen Sie, zu malen, zu nähen, zu fotografieren, zu tanzen. Apropos Tanzen. Bewegung habe ebenfalls einen positiven Effekt auf das Gemüt – vor allem, wenn man an der frischen Luft ist und noch etwas Sonnenstrahlen abbekommt. Denn: „Sonnenlicht und Vitamin D haben Einfluss auf die Stimmung“, weiß Ralf Jostes.

Tipp 5: eine Perspektive schaffen

Auch langfristig sollten sich diejenigen, die unter der aktuellen Situation leiden, erreichbare Ziele setzen, empfiehlt der 56-Jährige. Nach dem Prinzip: „Wenn der ganze Kram vorbei ist, mache ich das!“ Zum Beispiel verreisen. Das schaffe eine Perspektive und verhindere, dass man einen „unendlichen Raum vor sich sieht“. Dabei könne auch der Gedanke daran, dass es wahrscheinlich bald einen Impfstoff gibt, helfen.

Tipp 6: negativen Gedanken nicht zu viel Raum geben

Wer sich wegen Lockdown und Kontaktbeschränkungen in einer negativen Gedankenspirale befindet, dem gibt Ralf Jostes noch einen Tipp an die Hand: „Ablenkung finden.“ Aber nicht verdrängen. Klingt widersprüchlich. Sei es aber nicht, erklärt Jostes anhand eines Beispiels: „Versuchen Sie mal, zwei Minuten nicht an einen rosa Elefanten zu denken.“ Der rosa Elefant – das sind die negativen Gedanken. Wer versucht, nicht an sie zu denken, denkt eben doch an sie – und verstärkt sie dadurch womöglich noch.

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Welche Auswirkungen Corona auf die Psyche der Menschen nimmt, lässt sich wohl noch nicht abschätzen. Doch eins kann Ralf Jostes bereits jetzt sagen: Es scheint nicht so, dass sich mehr Menschen als sonst um einen Therapieplatz bemühen. Die Nachfrage sei generell sehr hoch. Zwar gebe es auch aktuell viele Anfragen, doch „Covid spielt oft nur im Hintergrund eine Rolle“, sagt der Psychotherapeut. Menschen, die etwa Depressionen haben, seien übrigens – anderes als man vielleicht vermuten würde – oft nicht besonders bedrückt durch die Pandemie. Denn sie hätten bereits gelernt, mit belastenden Situationen umzugehen.

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